Heft 
Band 12
Seite
117
Einzelbild herunterladen

Kleine Mitteilungen

Im hier beschriebenen Fall gelang eine Dokumenta­tion der Vorgänge nach Partnerverlust beim Seeadler während der Aufzuchtzeit. Nach Abstimmung mit der Staatlichen Vogelschutzwarte wurde auf durch­aus denkbare Managementmaßnahmen, wie Umset­zung der Jungen oder Zufütterung, verzichtet. Damit konnte relativ lückenlos dokumentiert werden, wie das Männchen allein erfolgreich zwei Jungvögel auf­20g.

Begünstigend wirkte, dass die Jungvögel zum Zeit­punkt des Ausfalls des Weibchens bereits ca. 20 Tage alt waren, was auf einen recht frühen Brutbeginn um den 18. Februar schließen lässt. In der zweiten April­hälfte und im Mai gab es keine Unwetter und Kälte­einbrüche, so dass die juv. nicht gehudert' werden mussten. Offenbar stellten die in nur 80 m Entfer­nung brütenden Kolkraben keine Gefahr für die Jungen dar. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Seeadler-Männchen die Ursache für das Verschwinden der fast flüggen Kolkraben war. In ca. 300 m Entfernung befand sich ein Habichthorst, aus dem Ende Juni drei juv. ausflogen. Auch dadurch gab es offenbar keine Gefährdung der jungen Seeadler.

Maßgeblich für die erfolgreiche Jungenaufzucht dürfte allerdings die Erfahrung des Männchens in Verbindung mit der Revierqualität gewesen sein. Die ersten Fütterungen erfolgten bereits in den frühen Morgenstunden, auch schon vor Sonnenaufgang (16.4.: 6.00 Uhr, 25.4.: 6.00 Uhr).

Das Hauptjagdgebiet lag offensichtlich am Schwie­ lowsee , da das Männchen in allen beobachteten Fällen aus dieser Richtung mit Beute anflog. Auffäl­lig war auch, dass keine Aggressivität unter den Nestlingen zu bemerken war. Mehrfach konnten Volle Kröpfe registriert werden.

Ein Problem war für die Zeit nach dem Ausfliegen zu erwarten. Es war zu befürchten, dass das Männ­chen die nun verteilt im Bestand befindlichen Jung­vögel nicht ausreichend mit Nahrung versorgen kann. Anders als bei FISCHER(1982) beschrieben, Wurde der Horst offenbar nur selten aufgesucht(eine Beobachtung eines juv. am 7.7.). Die Fütterung erfolgte wohl kaum auf dem Horst, da dieses Ver­halten nur ein Mal, am 15.8. beobachtet wurde. Wie schon in der Ästlingszeit, lahnten die juv. zunächst kaum, wurden ab Mitte Juli doch erheblich lauter. Besonders abends und morgens erklangen regelmä­

ßig jig-jig-jig-jeg-jäg-jäg-Rufe, die erst bei Erschei­nen des Männchens mit Beute in die lang gezogenen piitie-piiie-piiii-Rufe übergingen.

Verkehrsunfälle, die häufigste Todesursache beim Seeadler(LANGGEMACH 2002), können auch zu Ver­lusten von alten Seeadlern während der Aufzuchtzeit führen. Die Beobachtung der erfolgreichen Aufzucht von zwei Jungvögeln bis Ende August(80 Tage nach dem Ausfliegen) lässt vermuten, dass sie auch selb­ständig wurden. Zweifellos kann diese Beobachtung nicht verallgemeinert werden, da wohl mehrere gün­stige Umstände zusammentrafen. Angemerkt sei auch, dass in diesem Seeadlerrevier beidurch­schnittlicher Horstbetreuung(kurze Kontrollen alle 1-2 Wochen) mit Sicherheit das Fehlen des Weib­chens nicht bemerkt und somit ein normaler Verlauf registriert worden wäre. Eine unübersichtliche Revierstruktur(in diesem Fall durchgängig Laub­mischwald im Umkreis von 1000 m, keine Aussichts­stellen) erschwert es festzustellen, ob ein oder zwei Altvögel die Jungvögel versorgen.

Da das Prinzip der möglichst geringen Störung auch für den Horstbetreuer selbstverständlich sein muss, ist ein nicht unerheblicher Beobachtungsauf­wand erforderlich, um gesicherte Aussagen machen zu können. Besonders soll hier die schnelle und rich­tige Reaktion des Oberförsters genannt werden, die eine umgehende Bergung und Untersuchung des alten Brutweibchens ermöglichte. Dadurch war auch erst eine sofortige Beobachtung der Vorgänge am Horst möglich.

Literatur

ALBRECHT, G.& P. HauFr(1984): Beispiele veterinär­medizinischer Behandlungen wildlebender See­adler(Haliaeetus albicilla) im Bezirk Schwerin. Beitr. Vogelkd. 30: 311-315.

FISCHER, W.(1982): Die Seeadler. Neue Brehm­Bücherei 221. Wittenberg .

GLUTZ VON BLOTZHEIM , U. N. , K. M. BAUER& E. BEZZEL (1971): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 4. Wiesbaden.

LANGGEMACH, T.(2002): Situation und Schutz des Seeadlers(Haliaeetus albicilla) in Brandenburg und Berlin . Corax 19, Sonderheft 1: 23-36.

WENDLAND , V.(1937): Beobachtungen über den See­adler. Beitr. Fortpfl.biol. Vögel 13: 175-185, 224-227.