———————
Geleitwort der Nationalparkverwaltung
In fast jeder Publikation zum Nationalpark wird auf den Reichtum der Avifauna im unteren Odertal verwiesen. Das Gebiet gehört zu den wichtigsten binnenländischen Rast- und Durchzugsgebieten Deutschlands . Unter den bisher nachgewiesenen 284 Vogelarten sind auch etliche vom Aussterben bedrohte Brutvögel wie Trauerseeschwalbe, Seggenrohrsänger oder Wachtelkönig zu finden. Das Wissen über dieses avifaunistische Juwel im äußersten Osten Deutschlands haben wir der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft(0AG) und ihrem Vorläufer, der Fachgruppe Ornithologie und Naturschutz Schwedt/Oder , zu verdanken, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert. Einen Einblick in die umfangreichen, ehrenamtlichen Tätigkeiten zur Erfassung und Erforschung der Vogelbestände des unteren Odertals gewährt die OAG mit dem vorliegenden‘ Otis-Sonderheft. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das umfangreiche Wissen über die Vogelwelt Anfang der 1990er Jahre die Bemühungen zur Schaffung eines grenzüberschreitenden Internationalparks Unteres Odertal mit ausgelöst hat. Sehr viel Dank und große Anerkennung gebührt dabei Winfried Dittberner, der zusammen mit seinem Bruder Hartmut vor 40 Jahren mit der ornithologischen Forschung an der unteren Oder begann. Heute leitet er mit großem Engagement die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft und gewährleistet damit die Kontinuität in der ehrenamtlichen Naturschutzarbeit im unteren Odertal . Dieter Krummholz hat in den 1980er Jahren als langjähriger Leiter die OAG geprägt und ebenfalls maßgeblichen Anteil an ihrer erfolgreichen Arbeit.
Der Geburtstag der OAG fällt interessanterweise mit dem 10-jährigen Bestehen des Nationalparks Unteres Odertal zusammen und zeigt damit sehr schön die bereits dargestellte enge Verbindung zwischen beiden Jubilaren. Auch Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung oder der Naturwacht wie Jochen Haferland, Helmut Schmidt und Uwe Schünmann sind in ihrer Freizeit in der OAG aktiv. Sie tragen so zu einem intensiven Informations- und Gedankenaustausch zwischen Nationalparkverwaltung und ornithologischer Fachgruppe bei.
Vor zehn Jahren, am 22. Juni 1995, hat der brandenburgische Landtag mit großer Mehrheit das Gesetz zur Gründung des Nationalparks beschlossen. Das einzige Schutzgebiet dieser Art in Brandenburg zeichnet sich durch eine große Artenvielfalt aus. Im unteren Odertal konnten bisher 1.727 Pflanzen- und 2.955 Tierarten nachgewiesen werden- damit gehört der Nationalpark zu einem der artenreichsten Gebiete Deutschlands . Auch im gesamteuropäischen Maßstab kommt dem Nationalpark Unteres Odertal
Otis 13(2005), Sonderheft: 1
eine herausragende Bedeutung zu. 23 Lebensräume und 25 Tier- und Pflanzenarten der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie(FFH) haben im unteren Odertal“ihr Zuhause”, 40 nach der EUVogelschutzrichtlinie besonders geschützte Vogelarten brüten, rasten oder überwintern im Nationalpark. Mit konkreten Schutzzielen und einem differenzierten Management kommt das Land Bran denburg im unteren Odertal seiner besonderen naturschutzfachlichen Verantwortung nach. In einer speziellen wasserwirtschaftlichen Machbarkeitsstudie hat das Land bereits Möglichkeiten für die naturnähere Gestaltung des Wasserregimes in den Flutungspoldern untersuchen lassen. Angestrebt wird eine Verlängerung der Flutungszeiten bis Mitte Mai und wie im Falle des im nördlichen Nationalparkbereich gelegenen Polder 8 auch der direkte Anschluss von Überflutungsflächen an die Oder. In der Schutzzone I, den Totalreservaten, kann sich die Natur ohne wirtschaftliche Nutzungseinflüsse frei entfalten. In der Schutzzone II findet dagegen für spezielle Arten und Lebensräume mit Hilfe angepasster Landnutzungen eine gezielte Pflege statt. Auch hier erfährt der Nationalpark eine intensive Unterstützung durch Mitglieder der OAG. Mit Hilfe genauer Kenntnisse zum Brutvorkommen seltener Vogelarten wie Wachtelkönig oder Seggenrohrsänger können Absprachen mit Landwirten zum Schutz dieser Arten getroffen werden. Insbesondere Joachim Sadlik hat sich mit seinen teilweise rund um die Uhr durchgeführten Erfassungen große Verdienste erworben und damit schon vielen Wachtelkönigen und Seggenrohrsängern das Leben gerettet.
Aber nicht nur Tiere und Pflanzen sind zahlreich im Nationalpark vertreten. Der 10.500 Hektar große Nationalpark lockt inzwischen mit über 200 Kilometern ausgeschilderten Wander- und Radwegen und einer Vielzahl an Lehrpfaden, Aussichtstürmen, Rastplätzen und Informationstafeln bundesweit Besucher an. Das im September 2000 eröffnete Nationalparkzentrum ist mit inzwischen mehr als 122.500 Besuchern ein wahrer Publikumsmagnet. Mit Vorträgen, Exkursionen und Wanderungen sorgt die Naturwacht für ein buntes und interessantes Angebot, das gern und zahlreich angenommen wird. Nach zehn Jahren hat sich der Nationalparktourismus zu einem wichtigen und nicht mehr wegzudenkenden Wirtschaftsfaktor für die Region entwickelt.
Dank gilt an dieser Stelle Stefan Fischer und Jochen Bellebaum, die mit großem persönlichen Einsatz die Fertigstellung dieses Otis-Sonderheftes ermöglicht haben.
Dirk Treichel Leiter des Nationalparks Unteres Odertal