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Band 14
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Otis 14(2006)

während ca. 45 min. Beobachtungszeit jedenfalls keine Anflüge mehr feststellbar. Weitere sichere Brut­vogelarten wurden im Turm nicht nachgewiesen.

Die Feinstruktur der von unten teilweise, von der Aussichtsplattform nicht einsehbaren Brutnische geht aus Abb. 2+ 3 hervor. Die nach N exponierte, offene Halbhöhle maß ca. 10 cm Breite x 20 cm Höhe x mindestens 20 cm Tiefe. Soweit von schräg unten erkennbar, wirkte die Nestform eher flach, nur einzelne Zweige waren vorragend sichtbar. Vergleichbare Nestnischen hätte es im Turm auch an tiefer gelegenen Stellen gegeben.

Diskussion

Neststandort und Nesthöhe sind ungewöhnlich. Nach GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER(1997) können Männchen bereits bei der Revierbesetzung mögliche Nistplätze prüfen, die eigentliche Suche und Wahl erfolgt aber in jedem Falle durch das Weibchen, die Nistplatzsuche kann 2-6 Tage dauern. GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER(1997) fassen auch besondere Neststandorte zusammen und erwähnen Nestanla­gen auf technischen Konstruktionen aus Holz und Metall, zudemausnahmsweise aber nach Art des Hausrotschwanzes in Felsnischen oder auf nackten Dachbalken..., was abgewandelt auch auf unsere Beobachtung zutrifft. Eine breite Übersicht zu außer­gewöhnlichen Neststandorten gab KRÄGENOW(1981). Unserer Beobachtung ähnliche Feststellungen betra­fen ein Nest im Stahlrohrgerüst einer Luftseilbahn und als mögliche Brutplätze Eisenkonstruktionen von Bahnhofshallen in der Schweiz . Die Standhöhe des Nests wird imHandbuch als sehr verschieden eingeschätzt, in der Kulturlandschaft im Mittel bei knapp 3 m. Nach Bezzeı(1993) und gleichlautend nach BAUER et al.(2005) schwankt der Neststand von 0,5-25 m Bodenhöhe. SCHMIDT in ABBO(2001) gibt für Brandenburg als bislang maximal nachgewiesene Nesthöhe 19 m an. Lediglich für. den Bialowieser Nationalpark in Polen wird von ToMIALOJC in GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER(1997) bei 697 Nestern eine Variationsbreite von 0-35 m angegeben(Mittelwert 7,34+ 5,09 m, Median 6,0 m). Weitere Hinweise auf so hohe Neststandorte fanden wir nicht(s.a. NIET­HAMMER 1937, BERGMANN 1993, CRAMP et al. 1994). KRAGENOW(1981). schlussfolgerte in Zusammen­schau von Standardwerken und zahlreichen kleine­ren Mitteilungen, dass Neststandorte von Bodenhöhe bis zur Wipfelhöhe der höchsten Bäume vorkommen. Höchste hier mitgeteilte Werte betrugen in Sachsen­ Anhalt 14,5 m in einer Birke, im Moskauer Gebiet

18 m und in der Schweiz 25 m. Auch in NW­Deutschland lag der maximale von SCHREIBER in BERGMANN(1993) mitgeteilte Wert bei 25 m Höhe(in einer Buche). KRÄGENOW(1981) sah die Ansprüche der Art an den Nestplatz(Nestträger Bäume, Sträu­cher, technische Objekte, Nesthöhe) als gering an und erklärte damit die weite Verbreitung des Buchfinken.

Nach zeitlicher Einschätzung der ersten Beobach­tung im Mai und dem Entwicklungsstand der Jungvögel Mitte Juli könnte hier- obwohl selten ­bei vorsichtiger Interpretation eine Zweitbrut einer erfolgreichen Erstbrut an gleicher Stelle gefolgt sein. Ein Brutzyklus vom Nestbaubeginn bis zum Selb­ständigwerden der Jungvögel dauert auf der Kurischen Nehrung nach PAYEvSKY in GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER(1997) durchschnittlich 47,7 Tage, wobei für Junibruten eine mittlere Nestlings­zeit von nur 10,7 Tagen(für NW -Deutschland ) durch wahrscheinlich höhere Temperatur, besseres Nahrungsangebot sowie größere Tageslänge ermit­telt wurde(SCHREIBER in BERGMANN 1993).

Der energetische Aufwand beim Nestbau muss erheblich gewesen sein(nach MARLER in GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER 1997 muss das Weibchen das Nest dazu bis 1.300 mal anfliegen!), jedoch können wir zum Materialumfang des Nestes mangels aus­reichender Einsehbarkeit nur das oben Genannte sagen. Auch jeder Anflug zum Brüten, Hudern und Füttern der Jungvögel setzte einen erheblichen Energieaufwand beider Altvögel voraus. Während die Jungvögel auch von N kommenden Niederschlä­gen und Starkwind trotz Überdachung und Schutz von drei Seiten zumindest teilweise ausgesetzt waren, dürfte der entscheidende Vorteil in Feind­armut des Neststandortes bei Ausschluss von Säu­getier-Prädation(Eichhörnchen, Katze, Marder, Kleinsäuger etc.) und wegen des ungewöhnlichen Stratums und des mehr oder weniger regelmäßigen Besucherstroms auch von Krähenvögeln bestanden haben. Da der Buchfink allgemein hohe Verluste durch Prädation von Gelegen und Nestlingen erlei­det(s. detaillierte Ausführungen in CRAMP et al. 1994 sowie GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER 1997), kann der hohe Aufwand der Altvögel jedoch in Bezug auf den Bruterfolg bei außergewöhnlichen Neststandorten sinnvoll sein.

Danksagung: Herr Jürgen Fiebig, Naturkunde­museum Berlin, ermöglichte Literatureinsicht, Frau Simone Krüger, Annahütte, gestaltete das Manu­skript. Beiden gilt unser herzlicher Dank.