Heft 
Band 22
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Aktuelles aus der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg

Arten hinzugekommen. Für den Rotmilan wird auf der Basis neuer Telemetriestudien mit moderne­rer Technik sowie Analysen von Kollisionsverlusten nunmehr ein Mindestabstand von 1.500 m(vorher 1.000 m) empfohlen. Dies spiegelt auch die heraus­ragende internationale Verantwortung Deutschlands für den Erhalt der Art. Für die meisten Arten wur­den die bisherigen Empfehlungen bestätigt, so auch der Mindestabstand von 6.000 m für Brutplätze des bundesweit vom Aussterben bedrohten Schreiadlers. Durch dieFachagentur Windenergie an Land wurde eine Gutachterliche Stellungnahme zur rechtlichen Bedeutung der Abstandsempfehlun­gen der LAG VSW in Auftrag gegeben und auf einer Diskussionsveranstaltung am 12. November 2015 in Berlin vorgestellt. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass die Abstandsempfehlungen nicht rechtlich bin­dend sind(wie bereits die BezeichnungEmpfeh­lungen impliziert), dass sich jedoch behördliche Einschätzungen an einem aktuellen naturwissen­schaftlichen Kenntnisstand zu orientieren haben. Mit ihrer Aktualisierung dürfte dies auf die Ab­standsempfehlungen weiterhin oder zumindest wie­der zutreffen.(SCHLACKE& SCHNITTKER 2015). Mindestens drei Windkrafttagungen führten 2015 in Berlin ein internationales Publikum zusam­men: Wissenschaftler, Planer, Juristen, Verbands­vertreter, Behördenmitarbeiter und Vertreter der Windkraftindustrie. Vom 10. bis 12. März 2015 tagte dieConference on Wind Energy and Wildlife Im­pact(CWW), der am 9. März die Abschlusstagung des Forschungsprojektes PROGRESS vorausging. In diesem ging es um das Kollisionsrisiko von(Greif-) Vögeln an WEA . Am 10. November schließlich fand die TagungInternationale Synopse von Umwelt­auswirkungen auf die wildlebende Fauna durch die Windenergie statt. Veröffentlicht sind bislang zu­mindest die Zusammenfassungen der Vorträge der CWW- Tagung(https://www.cww2015.tu-berlin.de/ ). Hervorhebenswert aus der Sicht des Vogel­schutzes ist, dass international nach wie vor die Standortwahl als der wesentliche Faktor der Risiko­minderung angesehen wird- mit großem Abstand vor allen anderen Ansätzen wie räumliche Anord­nung der WEA innerhalb eines Windparks, Anla­geneigenschaften, Betriebsregulierung, Minderung der Habitatattraktivität, Vergrämung, Weglocken zu anderen Flächen usw. Deren Wirksamkeit ist bisher

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nur unzureichend erwiesen(May et al. 2015, BULLING et al. 2015). Dies unterstreicht die Bedeutung der Ab­standsempfehlungen. Des Weiteren hat sich bei den Tagungen gezeigt, dass kumulativen Wirkungen von WEA immer noch zu wenig Bedeutung beigemes­sen wird. Der Forschungs- und Handlungsbedarf ist groß. Zu den wenigen belastbaren wissenschaft­lichen Arbeiten diesbezüglich gehören eine im Ins­ titut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW ) Berlin durchgeführte Fledermausstudie(LEHNERT et al. 2014) und die Kalkulation der jährlichen Rotmi­lanverluste in Brandenburg durch BELLEBAUM et al. (2013). Die Ergebnisse letzterer- mehr als 300 Rot­milan-Opfer pro Jahr bei vorsichtiger Schätzung wurden oft angefeindet, aber wissenschaftlich nicht widerlegt. Die gegenwärtige Bestandsabnahme der Art(Abb. 3) wäre durch die erhöhte Mortalität durch WEA erklärbar. Die Reproduktion der Art hat sich seit dem Beginn des Greifvogelmonitorings 1988 jedenfalls kaum verändert(Abb. 4). Das Erreichen kritischer Schwellen bei einzelnen Arten verändert die Windkraftproblematik. Mit einer guten Stand­ortwahl allein lassen sich die Konflikte nicht mehr lösen, es kommt vielmehr die Diskussion über die Kapazitätsgrenze einer Landschaft für weitere WEA hinzu. Vor diesem Hintergrund ist auch das in Berlin intensiv besprochene ThemaAdaptives Ma­nagement mit äußerster Skepsis zu betrachten, vor allem die damit verbundene Botschaftmehr Mut beim Umgang mit planerischen Unsicherheiten um bei auftretenden Problemen nachträglich nachzu­bessern. Dies dient einseitig der Schaffung von mehr Raum für die Windkraftnutzung auf Kosten des Ar­tenschutzes, indem die Standortwahl als wichtigste Minderungsmethode ausgehebelt wird. Mit dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip erscheint dies nicht vereinbar(EU -KommIssıon 2000). Sensationelle Erfolge gab es in diesem Jahr im deutschen Großtrappenschutz. Bereits der Aus­gangsbestand vor Beginn der Brutsaison war ein Meilenstein im Schutzprojekt: 197 Vögel wurden in den drei Einstandsgebieten gezählt- ein Wert, der seit 28 Jahren nicht mehr erreicht wurde(Abb. 5). Im Frühling und Sommer 2015 wurden 44 Jungvögel unter der Obhut ihrer freilebenden Mutterhennen flügge. Dies sind fast doppelt so viele wie bei dem bisherigen Höchstwert von 23 Jungvögeln aus dem Jahr 2013(Abb. 6). Damit ist die Brutsaison 2015 die