Das ſechszehnte Jahrhundert iſt bekanntlich der Wendepunkt des Mittelalters zur neueren Zeit. Auch der allmählig beränderte Styl der Urkunden, welcher ſeit dem Regierungsantritt Churfürſt Joachims des Erſten deutlich hervortritt, eigt den auffallenden Fortſchritt des ſechszehnten Jahrhunderts gegen das funſzehnte. Bis dahin waren ſelbſt die von en Churfürſten ausgeſtellten Urkunden eigentlich nur Privatinſtrumente, in denen eine beſtimmte Thatſach e conſtatirt wurde; von jetzt ab können wir Spuren der Idee einer landesherrlichen Regierungsgewalt, welche Verhaltungsnor— nen für die Zukunft gibt, in den Ausdrücken der Urkunden verfolgen, denn anfänglich beruht das Eintreten einer erwei— terten Landeshoheit faſt mehr in den Ausdrücken als in der Sache ſelbſt. Noch iſt die Geſetzgebung nur ein allgeme i— nere Verhältniſſe umfaſſender Vergleich mit den Ständen, während frühere Vergleiche mit dieſen nur ein fin gu— laires Intereſſe betrafen. Die Landtagsverhandlungen des funfzehnten Jahrhunderts, welche ich hier) habe abdrucken laſſen, beſchäftigen ſich meiſt mit den durch die Kriege gegen Pommern nothwendig gewordenen Kriegsrüſtungen, Mann: chaftsgeſtellung und Abgaben, woneben Verabredungen über Maß und Münzen, Getreideausfuhr, Sportelerhöhung, Juden, geiſtliche Gerichtsbarkeit u. ſ. w. nur bei Gelegenheit einzelner Beſchwerden erörtert worden zu fein ſcheinen. Im ſechszehnten Jahrhundert dagegen gehn, wie die folgenden Landtagsverhandlungen*) beweiſen, Churfürſt und Stände on einem ganz andern Standpunkt aus und treffen, offenbar nach dem Vorgange der Reichsgeſetzgebung, beſtimmte Anordnungen über Geſindedienſtlohn, Wegziehn der Bauern, das Lehnweſen u. ſ. w, ja fie haben die ganze frühere ſächſiſche Erbfolgeordnung in der Mark aufgehoben und das römiſche Erbrecht eingeführt, worüber uns leider nur der Landtagsabſchied“* nicht aber die Landtagsverhandlung aufbehalten if. Ein ſehr intreſſanter Punkt iſt die Art, wie hei dieſen Landtagsſchlüſſen das Recht der Majorität, die Minorität an ihren Beſchluß zu binden, behandelt worhen if. Der deutſche Rechtsſinn begnügte ſich nicht dabei, daß der Beitritt der Mehrheit der Stände dem Landesherrn ie Macht gab, die widerſtrebende Minderzahl zu zwingen, ſondern er ſuchte für dieſes Zwangsrecht des Landesherrn buch eine rechtliche Form und fand dieſe darin, daß die Mehrheit der Stände ſich in einen Gerichts hof verwandelte, bie Minderzahl vorlud, ihnen zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen Fürſprecher beſtellte und fie endlich, nachdem ſie hehört waren, durch einen Urtheilsſpruch verurtheilte, dem Willen der Mehrzahl nachzuleben). Dieſes rechtskräftige Erkenntniß vollſtreckte dann der Landesherr gegen die Widerſpenſtigen. Nur if hierbei ſehr zu beachten, daß man auch her Majorität der älteren Landſtände nicht, wie den heutigen ſ. g. Volksrepräſentanten, ein unbedingtes Geſetzgebungs— und Bewilligungsrecht zuſprach, wodurch das Recht der Majorität freilich in einen unerträglichen Despotismus ausgeartet wäre. Uralte Verträge beſtimmten, daß in gewiſſen Fällen die Landſtände verpflichtet waren, dem Landesherrn mit tußerordentlicher Beihülfe beizuſpringen; indem ſich der Churfürſt auf dieſes Recht bezog, gab er den Landſtänden die Beurtheilung anheim, ob jetzt nicht ein Fall ſolcher im Allgemeinen zugeſagten außerordentlichen Bewilligung eingetreten ſei und die Majorität erkannte dann, daß ein ſolcher Fall wirklich vorhanden ſei und daß die Minorität in Gemäßheit ber alten Verträge ſich nicht entziehen könne, ihren Beitrag zu leiſten. Die Majorität erkannte alſo, was in einem beſtimmten vorliegenden Fall Rechtens ſei und vereinbarte ſich dann über die Art der Aufbringung des Beitrages, wo
) Pag. 38. folg. 47. 61. u. a. Bd. 1. p. 239. ..) A 16, 17,19 u. 1. w. *) L. Abſch. v. 1527 in der Myliusfchen Samml. vergl. von Ledebur Archiv Bd. 5. p. 309. Im Archive der Etat Gard. ſollen ſich viele Landtagsverhandlungen früherer Zeit befinden, aber ſie werden wohl unbenutzt liegen bleiben, bis ſie verloren gehn und das Schickſal der ganz kürzlich verbrannten Stadtarchive von Pritzwalk und Lippene theilen. H) Pag. 5b. folg. Gerken Codex Bd. 8. P. 508. II. Bd.[26]