Otis 19(2011): 109-122
Aktuelles aus der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg
Torsten& Ilona Langgemach, Tobias Dürr
und Torsten Ryslavy
Im zurückliegenden Jahr lag der herausragende Arbeitsschwerpunkt der Vogelschutzwarte bei Problemen der Vogelwelt infolge der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima führt dazu, dass alternativen Energiequellen zu Recht eine noch größere Bedeutung als bisher zukommen wird. Energiepolitische Ziele und Ziele des Klimaschutzes geraten jedoch zunehmend in Konflikt mit den Erfordernissen zum Schutz der Biologischen Vielfalt. Schon jetzt werden bisherige Naturschutzziele von der Entwicklung förmlich überrollt. Dies betrifftauch die Schutzgebietskulisse Natura 2000 , Großschutzgebiete einschließlich der Biosphärenreservate, deren
ebenso die
wichtigstes Ziel eigentlich ist, Modelle für nachhaltige Landnutzungsformen zu entwickeln. Bei den Vögeln des Offenlandes verstärken die gegenwärtigen Bestrebungen, die Agrarlandschaft zunehmend für die Erschließung erneuerbarer Energien zu nutzen, den bei dieser Artengruppe ohnehin besonders dramatischen Abwärtstrend. Nachdem schon das Biodiversitätsziel 2010 verfehlt wurde, verschlechtert sich nun im„Jahrzehnt der Biodiversität“ die Situation für die Vögel der Agrarlandschaft mehr als je zuvor. Es findet eine beschleunigte Entwicklung weg von den politisch formulierten Biodiversitätszielen für 2020 statt! Einmal mehr steht die Entwicklung der Vogelbestände dabei stellvertretend für alle anderen Organismengruppen. Besonders problematisch sind der großräumliche Maßstab der gegenwärtigen Entwicklung sowie die Tatsache, dass die jetzigen Weichenstellungen bis weit in die Zukunft hinein wirken werden. Schon jetzt leidet auch das Image der Erneuerbaren Energien darunter. Über die damit einhergehenden Trends in der Vogelwelt der Agrarlandschaft wurde in der Otis 18(2010) geschrieben(Tab. 1). Einige der NegativHighlights zur Erinnerung:
- Bei mehr als der Hälfte der Vogelarten der Agrarlandschaft(57%) ist der vom Gesetzgeber geforderte gute Erhaltungszustand derzeit nicht gesichert(Bundesnaturschutzgesetz, BNatSchG $ 44(4)) und dies nicht nur in Bezug auf die lokalen Populationen sondern in Brandenburg insgesamt.
-Selbsteine Art wie die früher sehr häufige Feldlerche hat seit 1995 um ein Drittel abgenommen und steht in Brandenburg inzwischen auf der Roten Liste.
- Unter den Bodenbrütern bzw. bodennah brütenden Arten zeigen 61% signifikante Abnahmen, bei den Arten des Feuchtgrünlandes sogar 77%. Die gesamte Gilde der Wiesenlimikolen einschließlich des Kiebitzes droht vollständig aus Brandenburg zu verschwinden.
- Langstreckenzieher stehen mit„nur“ 55% signifikanten Abnahmen etwas besser da als der Durchschnitt der Agrararten- ein wichtiger Hinweis, dass wir die Probleme nicht in Afrika , sondern im Brutgebiet suchen und angehen müssen.
- Eine Reihe zunehmender Arten(z.B. Grauammer, Wachtel, Raubwürger) profitierte von den Flächenstilllegungen, die in Brandenburg bis 2007 zeitweise bis zu 19% der Ackerfläche ausmachten. Mit den Stilllegungen sind in den letzten Jahren auch die Überschusspopulationen dieser Arten verschwunden. Der Negativtrend deutet sich auch für sie bereits an.
- Neben den Brutvögeln der Agrarlandschaft sind vom aktuellen Strukturwandel auch Arten betroffen, die die Agrarflächen nur zur Nahrungssuche nutzen. Dazu zählen u.a. der Rotmilan , für den Deutschland mit mehr als 50% des Weltbestandes besondere Verantwortung hat sowie der vom Aussterben bedrohte Schreiadler. Der Rotmilanbestand geht in ganz Deutschland zurück; in Brandenburg nahm er von 1995 bis 2009 um 15% signifikant ab. Beim Schreiadler