8. (7. ausserordl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.
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hoher fremder Besuch am preussischen Hofe zum Stralauer Fischzug, nämlich der Herzog von York, der zweite Sohn Georgs III. von England, mit seiner Braut, der Prinzessin Friederike, der ältesten Tochter Friedrich Wilhelms H. Das fürstliche Brautpaar fuhr in einer prächtigen, reich geschmückten Gondel nach Stralau.
Dieser Zeit gehört das Bild vom Jahre 1793 an, welches wir Seite 188/189, nach dem im Besitze der Magistats-Bibliothek zu Berlin befindlichen Kupferstich bringen. Die „Vue de Treptow et de Strahlau pres de Berlin 1793“ zeigt im Vordergründe Treptow. Das Gehöft li nks liegt ungefähr in der Gegend des städtischen Wirtshauses. Im Hintergründe liegt Stralau, rechts die alte Kirche; dahinter haben wir uns den Kummeisburger See zu denken. Dem unbekannten Künstler hat offenbar nicht daran gelegen, ein Werk von topographischer Genauigkeit zu schäften. Der Kupferstich macht eher den Eindruck, als sei er nach flüchtiger Skizze im Zimmer entstanden und gebe nur den landschaftlichen Gesamt-Eindruck wieder, den Stralau vor hundert Jahren geboten hat.
Eine ganz besondere Ehre wurde dem Stralauer Fischzuge im Jahre 1821 dadurch zu teil, dass der damalige General-Intendant Graf Brühl die Aufführung einer Lokalposse — und zwar der ersten in Berlin — auf der königlichen Opernbiiline gestattete, welche den Titel „der Stralauer Fischzug“ führte. Die erste Aufführung dieses Volksstückes, welches in grosser Anschaulichkeit das damalige Leben in den unteren und mittleren Ständen wiederspiegelt, erfolgte am 28. Oktober 1821 (nicht 25. August, wie gewöhnlich irrtümlich angegeben wird). Der talentvolle, später so traurig verkommene Dichter Julius von Voss war der Verfasser des Stückes, welches 1822 bei Heinrich Philipp Petri in Berlin im Buchhandel erschien. Die Musik hatte Direktor G. A. Schneider, der Vater des Geheimen Hofrates Louis Schneider, komponiert. Das Stück fand trotz der abfälligen Besprechungen, welche die Berliner Zeitungen brachten und trotz des Entsetzens aller zartbesaiteten Schöngeister die günstigste Aufnahme beim Publikum, so dass „die Zugänge zum Opernhanse stets belagert waren.“ Der Verfasser schildert mit groben Mitteln das Leben und Treiben auf der Stralauer Vogelwiese. Zum Aufbau einer Handlung nimmt er nur einen schwachen Anlauf. Die Berliner fühlten sich jedoch durch dieses Volksstück überaus angeheimelt. Hierzu trug viel der Umstand bei, dass das Stück im Berlinischen Dialekt geschrieben war, den die Berliner damals zum ersten Male auf der Bühne hörten. Die besten damaligen Schauspieler verkörperten das Volksstück: Herr Wauer gab den Sattler Jucht, Frau Unzelmann seine Tochter Friederike, Frau Esperstedt die köstliche „Tante aus dem Fleischscharrn“, der jüngere Gern den „Onkel aus der Pfeifenbude.“ Als Beitrag zu einer Naturgeschichte des Berliners im
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