Heft 
(2021) 28
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Mit Blick auf die heutige Verbreitung der Art im Binnenland erscheint es geboten, auch die Größe der einzelnen Brutgemeinschaften zu dokumentieren. Aus Brandenburg gibt es bislang keine publizierten Erhebungen in dieser Hinsicht. Für das Untere Oder­ tal erwähnt DITTBERNER( 1996) kolonieartiges Brü­ten von 10-30 Paaren... in optimalen Brutjahren.

Im Spreewald ist die mittlere Koloniegröße un­abhängig vom Flächenbezug( 3,4-3,8 Rev./Kolonie) sehr konstant. Auffällige jahresweise Abweichungen, z. B. 2,2 Reviere 2010 bzw. 4,8 Reviere 2014, lassen keinen kausalen Zusammenhang weder mit dem Gesamtbestand noch mit der Niederschlagsmenge erkennen. Die größten registrierten Brutgemein­schaften(> 10 Rev.) zeigten zudem keine Präferenz für einen bestimmten Habitattyp: Sie wurden so­wohl auf Grünland als auch auf Äckern festgestellt ( Abschnitt 4.1.4).

6.1.4 Habitatwahl

In Deutschland brütet derzeit etwa die Hälfte aller Kiebitze im Grünland( CIMIOTTI et al. 2020). Diese Aus­sage stimmt mit den Befunden im Spreewald überein. Die lokalen Besonderheiten im Blick wurde zunächst vermutet, im Spreewald könnten Gurkenäcker eine zentrale Stellung als Bruthabitat besitzen( s. KRÜGER­MANN 2019). Das ließ sich nicht bestätigen.

Aus den Befunden lassen sich m. E. aber kei­ne allgemein gültigen Schlüsse ziehen oder sie gar auf andere Gebiete übertragen. Die in der Abb. 6 ( Abschnitt 4.1.4) dargestellte Habitatnutzung zeigt lediglich den aktuellen Stand während der Stichtag­erfassungen; Umsiedlungen bzw. spätere Ansied­lungen werden nicht abgebildet. Oft verteilten sich außerdem beachtliche Teile einer Kolonie oder sogar die gesamte Brutgemeinschaft über beide Habitat­typen. Das bedeutet, Kiebitze besiedelten nicht sel­ten Lebensräume, in denen Wiesen oder Weiden an Ackerflächen grenzten. Während die Nester bzw. Ter­ritorien sich typischerweise auf unbestellten Äckern befanden, erfolgte die Nahrungssuche auch oder so­gar dominant auf den oft nur wenige Meter entfern­ten Grünländern. Aus diesen Gründen wird auf eine detailliertere Klassifizierung und Aufschlüsselung nach Feldfrucht, Vegetationstyp etc. verzichtet.

Im Hinblick auf das Vorkommen in Grünland ließ sich ein Zusammenhang zwischen Feuchtegrad

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und Besiedlungsumfang nicht mit Sicherheit ablei­ten. Dennoch scheinen Grünlandstandorte deutlich an Attraktivität zu gewinnen, wenn es kleine Pfüt­zen oder schlammige Bereiche gibt. Im Jahr 2019 siedelten 81% aller Kiebitze im Grünland- im Un­tersuchungszeitraum war dieser Anteil vorher nie so hoch. Dennoch befanden sich nur 10 Kolonien( mit 53 Rev.) in zumindest teilweise überfluteten Wiesen oder Weiden. Die übrigen 76 im Grünland festgestell­ten Territorien- mit 60% die klare Mehrheit- wa­ren in eher trockenen Arealen angesiedelt. Zwar gab es in all diesen Kolonien in geringem Umfang feuch­te bis nasse Stellen, aber keinerlei offene Wasser­flächen. Scheinbar attraktive Überflutungsflächen spielen keine dominante Rolle bei der Habitatwahl, vielmehr ist die Vegetationshöhe von entscheidender Bedeutung( GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1975).

Auch im Spreewald werden gänzlich trockene Grasländer gemieden, wenn die Bodenvegetation eine bestimmte Höhe und Dichte überschreitet. Dies lässt sich am Beispiel des Nordpolders zwischen Alt Zauche und Straupitz gut belegen. Das mit 23 km² größte zusammenhänge Grünlandgebiet im Spree­wald ist stark entwässert worden und weithin offen. Alljährlich gibt es dort aber nur zwei oder drei Kie­bitzkolonien mit insgesamt maximal 10 Revieren. In durchschnittlichen Jahren befinden sich die Brut­plätze stets in den einzigen beiden Ackerschlägen, die nur etwa 2% der Gesamtfläche des Nordpolders bedecken. Doch in besonders niederschlagsreichen Frühjahren erfolgt normalerweise ein Wechsel in nasse Wiesenbereiche.

Ausnahmsweise wurden auch extrem trockene Grasländer besiedelt: Im Jahr 2018 brüteten nörd­lich von Leibsch- Damm vier Paare( davon 1 Paar er­folgreich) auf einer extensiv genutzten Weidefläche, die einen Übergangsstandort von Magerrasen zu Sandtrockenrasen bildete. Brutnachbarn der Kolonie waren u. a. Wiedehopf Upupa epops und Raubwür­ger Lanius excubitor. Der abweichende Habitattyp ähnelt in gewisser Weise den Brutplätzen in Indust­riebrachen und Ödlandflächen. Während dieser Typ von Brachen wohl erst neuerdings als Brutplatz vom Kiebitz entdeckt wurde( KOOIKER& BUCKOW 1997), hat die Besiedlung von Ackerflächen eine lange Tra­dition. Zumindest in Niedersachsen brüten Kiebitze seit mindestens 260 Jahren auf Äckern( ONNEN& ZANG 1995, mit zahlreichen historischen Quellen). In