Köhler: Beobachtungen an Fichtenkreuzschnäbeln und Nachweise vom Bindenkreuzschnabel... 111
schnell abnutzen( MÜNCH 2003, WINKLER& JENNI 2007). Die Literatur ist z. T. widersprüchlich; die Ursache kann an der künstlichen Grenze der Breite der Flügelbinden bzw. der Variabilität der Alterskleider ( MÜNCH 2003, WINKLER& JENNI 2007) liegen. Letzteres ist u. a. durch die flexible Brutzeit bedingt, die eine genaue Altersabschätzung gefangener und erst recht fotografierter Exemplare erschwert. Im Beobachtungsgebiet wurden bei 11,2% der fotografierten 312 Fichtenkreuzschnäbel Individuen mit weißen Großgefiederanteilen unterschiedlicher Ausprägung festgestellt. Darunter befanden sich vier Kreuzschnäbel im roten bzw. orangenen Federkleid adulter, subadulter Vögel mit Flügelbinden> 1mm und des Weiteren wiesen zwei Jungvögel die für rubrifasciata charakteristischen Flügelbinden auf( vgl. LACHMAIR& KREIDL O. J., ROSELAAR 2014), sodass insgesamt 1,9% der Vögel dieser Variation zuzurechnen wären. ROSELAAR( 2014) sieht nach der Untersuchung von Balgmaterial die Aberration, wie schon KLEINSCHMIDT( in Lit.) und PORTENKO( in Lit.), als eine Hybridform zwischen L. curvirostra und leucoptera an. Es ist jedoch zu vermuten, dass bei den Fichtenkreuzschnäbeln eine ethologische Hybridisationsbarriere besteht, denn die Angehörigen eines Vokalisationstyps wählen ihren Partner bevorzugt aus diesem( s. u.). Zum anderen sind die genetischen Unterschiede der drei Loxia- Arten Europas sehr gering, die Spezialisierung auf ihre Nahrungsressourcen sind für eine Isolierung offenbar ausreichend( BJÖRKLUND et al. 2013, COLLAR& NEWTON 2010).
Der hohe Anteil der Vögel mit Weiẞanteilen in den Deckfedern im Beobachtungsgebiet ist möglicherweise ein Hinweis auf eine einheitliche regionale Herkunft der rastenden Fichtenkreuzschnäbel. Die Aberration tritt gehäuft im Baltikum und Russland auf, ist sonst eher selten( GLUTZ V. BLOTZHEIM& BAUER 1997). GROTE( 1943) schreibt, dass sie in Ostrussland regional häufig sei. So berichten z. B. BORRÁS et al. ( 1993) von der Population der Vorpyrenäen, dass in einem Jahr zehn Fichtenkreuzschnäbel( 1,1%) mit Flügelbinden im selben Netz gefangen wurden. Die Autoren interpretieren diesen Zusammenhalt als verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Vögeln. Durch Vererbung bleibt dieses Merkmal innerhalb der regionalen Populationen erhalten. Der enge Zusammenhalt der Vögel gleicher lokaler Herkunft zeigt sich auch innerhalb der sechs in Eu ropa
nachgewiesenen Ruf- Typen( ROBB 2000, COLLAR & NEWTON 2010). Es konnte sogar gezeigt werden, dass diese sich nur innerhalb ihres Vokalisationstyps verpaaren. Das stützt die geografisch begrenzte Verbreitung, die letztlich den genetischen Erhalt eines bestimmten Merkmals, in diesem Fall die weiße Zeichnung auf den Deckfedern, fördern kann. Das bioakustische Merkmal wird jedoch durch Tradierung weitergegeben( SEWALL 2010 zit. MARTIN 2017).
5.4 Nachweise zweier Bindenkreuzschnäbel Bei den beiden im Beobachtungsgebiet nachgewiesenen Bindenkreuzschnäbeln handelte es sich nicht, wie aus den Berichten von BOA( 2018), DAK ( 2019) bzw. HAUPT& MÄDLOW( 2020) zu entnehmen, um denselben Vogel, sondern um zwei verschiedene Individuen. Dies führte zu einigen Irritationen. Folglich wurden 2017 mit dem von J. Mann in Berlin- Wedding beobachteten Vogel ( BOA 2019) drei Bindenkreuzschnäbel nachgewiesen und anerkannt. Insgesamt ist die Art mit zwei weiteren anerkannten Nachweisen aus dem Jahr 2013( BOA 2019) fünf Mal in neuerer Zeit für Berlin nachgewiesen worden. Hinzu kommt die erfolgreiche Brut aus dem Jahr 1991( FISCHER et al. 1992).
Zum Abschluss eine Anmerkung zum ersten historischen Berliner Nachweis: Bei der Jahresangabe ist SCHALOW( 1919) ein Fehler unterlaufen. Das erwähnte Jahr des Nachweises ist nicht, wie von ihm angegeben 1846, sondern 1832. Folglich sind alle späteren, darauf bezugnehmenden Literaturzitate unrichtig. SCHALOW bezieht sich ausschließlich auf BREHMS Bericht über dessen Besichtigung der Sammlung FEHRMANN in Berlin , die BREHM jedoch bereits 1832 vornahm. In der Publikation über seine Reise notiert BREHM über diesen Bindenkreuzschnabel lediglich„ ……… sie war im Thiergarten bey Berlin gefangen worden;..." ohne weitere Angaben( BREHM 1834). Zu bedenken ist außerdem, dass A. Walter ( Berliner Ornithologe, 1817 bis 1899) in einem Brief an Schalow diesen Vogel als Gefangenschaftsflüchtling wertet( SCHALOW 1.c., S. 539). Im 19. Jhd. wurden auf dem Berliner Vogelmarkt auch Kreuzschnäbel gehandelt. Einer der Gründe hierfür: Man verwendete deren Trinkwasser als Medizin gegen verschiedene Krankheiten( SCHALOW 1874). Waren die Vögel nicht mehr interessant, wurden sie in die Freiheit entlassen