Heft 
(2021) 28
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Köhler: Beobachtungen an Fichtenkreuzschnäbeln und Nachweise vom Bindenkreuzschnabel... 111

schnell abnutzen( MÜNCH 2003, WINKLER& JENNI 2007). Die Literatur ist z. T. widersprüchlich; die Ur­sache kann an der künstlichen Grenze der Breite der Flügelbinden bzw. der Variabilität der Alterskleider ( MÜNCH 2003, WINKLER& JENNI 2007) liegen. Letzte­res ist u. a. durch die flexible Brutzeit bedingt, die eine genaue Altersabschätzung gefangener und erst recht fotografierter Exemplare erschwert. Im Beob­achtungsgebiet wurden bei 11,2% der fotografierten 312 Fichtenkreuzschnäbel Individuen mit weißen Großgefiederanteilen unterschiedlicher Ausprägung festgestellt. Darunter befanden sich vier Kreuzschnä­bel im roten bzw. orangenen Federkleid adulter, sub­adulter Vögel mit Flügelbinden> 1mm und des Weiteren wiesen zwei Jungvögel die für rubrifasciata charakteristischen Flügelbinden auf( vgl. LACHMAIR& KREIDL O. J., ROSELAAR 2014), sodass insgesamt 1,9% der Vögel dieser Variation zuzurechnen wären. ROSE­LAAR( 2014) sieht nach der Untersuchung von Balg­material die Aberration, wie schon KLEINSCHMIDT( in Lit.) und PORTENKO( in Lit.), als eine Hybridform zwi­schen L. curvirostra und leucoptera an. Es ist jedoch zu vermuten, dass bei den Fichtenkreuzschnäbeln eine ethologische Hybridisationsbarriere besteht, denn die Angehörigen eines Vokalisationstyps wäh­len ihren Partner bevorzugt aus diesem( s. u.). Zum anderen sind die genetischen Unterschiede der drei Loxia- Arten Europas sehr gering, die Spezialisierung auf ihre Nahrungsressourcen sind für eine Isolierung offenbar ausreichend( BJÖRKLUND et al. 2013, COLLAR& NEWTON 2010).

Der hohe Anteil der Vögel mit Weiẞanteilen in den Deckfedern im Beobachtungsgebiet ist mögli­cherweise ein Hinweis auf eine einheitliche regiona­le Herkunft der rastenden Fichtenkreuzschnäbel. Die Aberration tritt gehäuft im Baltikum und Russland auf, ist sonst eher selten( GLUTZ V. BLOTZHEIM& BAUER 1997). GROTE( 1943) schreibt, dass sie in Ostrussland regional häufig sei. So berichten z. B. BORRÁS et al. ( 1993) von der Population der Vorpyrenäen, dass in einem Jahr zehn Fichtenkreuzschnäbel( 1,1%) mit Flügelbinden im selben Netz gefangen wurden. Die Autoren interpretieren diesen Zusammenhalt als verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Vögeln. Durch Vererbung bleibt dieses Merkmal innerhalb der regionalen Populationen erhalten. Der enge Zusammenhalt der Vögel gleicher lokaler Herkunft zeigt sich auch innerhalb der sechs in Eu­ ropa

nachgewiesenen Ruf- Typen( ROBB 2000, COLLAR & NEWTON 2010). Es konnte sogar gezeigt werden, dass diese sich nur innerhalb ihres Vokalisations­typs verpaaren. Das stützt die geografisch begrenzte Verbreitung, die letztlich den genetischen Erhalt ei­nes bestimmten Merkmals, in diesem Fall die weiße Zeichnung auf den Deckfedern, fördern kann. Das bioakustische Merkmal wird jedoch durch Tradie­rung weitergegeben( SEWALL 2010 zit. MARTIN 2017).

5.4 Nachweise zweier Bindenkreuzschnäbel Bei den beiden im Beobachtungsgebiet nachge­wiesenen Bindenkreuzschnäbeln handelte es sich nicht, wie aus den Berichten von BOA( 2018), DAK ( 2019) bzw. HAUPT& MÄDLOW( 2020) zu entnehmen, um denselben Vogel, sondern um zwei verschiede­ne Individuen. Dies führte zu einigen Irritationen. Folglich wurden 2017 mit dem von J. Mann in Ber­lin- Wedding beobachteten Vogel ( BOA 2019) drei Bindenkreuzschnäbel nachgewiesen und anerkannt. Insgesamt ist die Art mit zwei weiteren anerkann­ten Nachweisen aus dem Jahr 2013( BOA 2019) fünf Mal in neuerer Zeit für Berlin nachgewiesen worden. Hinzu kommt die erfolgreiche Brut aus dem Jahr 1991( FISCHER et al. 1992).

Zum Abschluss eine Anmerkung zum ersten historischen Berliner Nachweis: Bei der Jahresan­gabe ist SCHALOW( 1919) ein Fehler unterlaufen. Das erwähnte Jahr des Nachweises ist nicht, wie von ihm angegeben 1846, sondern 1832. Folglich sind alle späteren, darauf bezugnehmenden Literaturzi­tate unrichtig. SCHALOW bezieht sich ausschließlich auf BREHMS Bericht über dessen Besichtigung der Sammlung FEHRMANN in Berlin , die BREHM jedoch bereits 1832 vornahm. In der Publikation über seine Reise notiert BREHM über diesen Bindenkreuzschna­bel lediglich ……… sie war im Thiergarten bey Berlin gefangen worden;..." ohne weitere Angaben( BREHM 1834). Zu bedenken ist außerdem, dass A. Walter ( Berliner Ornithologe, 1817 bis 1899) in einem Brief an Schalow diesen Vogel als Gefangenschaftsflücht­ling wertet( SCHALOW 1.c., S. 539). Im 19. Jhd. wurden auf dem Berliner Vogelmarkt auch Kreuzschnäbel gehandelt. Einer der Gründe hierfür: Man verwende­te deren Trinkwasser als Medizin gegen verschiedene Krankheiten( SCHALOW 1874). Waren die Vögel nicht mehr interessant, wurden sie in die Freiheit entlassen