Heft 
(2021) 28
Seite
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Dürr& Haupt: Bemerkenswerte Ringfunde aus Brandenburg

Heringsmöwe Larus fuscus

London GC 16560, umberingt Hiddensee EA 202021 + weiße Flügelmarke EJ1

Gleich mehrere Möwenarten erreichten und besie­delten während ihrer dynamischen Ausbreitung in den letzten Jahrzehnten auch Brandenburg . Nach der Schwarzkopfmöwe, Silbermöwe, Steppenmöwe und Mittelmeermöwe folgte vor einem Jahrzehnt die Heringsmöwe. Erstmals 2009 und 2010 brütete ein Individuum als Mischpaar mit einer Mittelmeer­möwe in der Großmöwenkolonie im Gräbendorfer See und ein erstes artreines Brutpaar gab es 2012( H. Michaelis pers. Mitt.). Woher kamen die ersten An­siedler? Diese spannende Frage konnte ein Ringvogel beantworten, den H. Michaelis und H. Trapp im Rah­men ihres Beringungsprogramms am 02.05.2016 als Brutvogel wiederfangen konnten. Diese Heringsmö­we wurde am 26.06.2005 als nichtflügger Jungvogel beachtliche 953 km westlich im Süden Englands beringt und befand sich bereits in ihrem 12. Lebens­jahr. Auf Grund der starken Abnutzung des Ringes war eine Umberingung erforderlich. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass diese Möwe bereits seit einigen Jahren am Gräbendorfer See gebrütet hatte. Bis zum Jahr 2020 wurde sie weiterhin von H. Michaelis und H. Trapp dort als Brutvogel bestätigt. Neben dieser Fernansiedlung suchte diese Heringsmöwe nicht wie üblicherweise die Brutvögel an der Nordsee ein Winterquartier in südwestlicher Richtung auf, sondern sie wurde mehrfach südsüdöstlich ihres Brutortes festgestellt. Ablesungen gelangen im No­vember 2016, März 2018 und Juli 2018 in Tschechi­ en und jeweils Ende Dezember 2019 und 2020 im Seewinkel am Neusiedler See in Österreich . Ob sie hier vielleicht überwinterte, ist leider unbekannt. Bei ihrer bisher letzten Sichtung befand sie sich im 16. Lebensjahr und erreichte zum Abschluss ihrer ein­drucksvollen Lebensgeschichte noch ein sehr hohes Alter( Höchstalter in BAIRLEIN et al. 2014 14 Jahre).

Graureiher Ardea cinerea

Hiddensee CA 9127+ weißer Farbring X 50

Ein weiteres beeindruckendes Beispiel dafür, dass einzelne Vogelindividuen ein recht hohes Alter errei­chen können, zeigt dieser Graureiher. Er wurde von H. Kasper im Rahmen des länderübergreifenden Farbberingungsprogramms im Mai 2004 als Nest­

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ling beringt. Am 27.06.2020, in seinem nunmehr 17. Lebensjahr, konnte der Farbring von M. Ehrlich 9 km vom Beringungsort entfernt abgelesen werden. Der Graureiher blieb zudem seiner Geburtsheimat treu. Das Höchstalter eines Graureihers im ausgewerteten Material für den Ringfundatlas( BAIRLEIN et al. 2014) betrug 20 Jahre und 9 Monate.

Silberreiher Ardea alba

Kaunas AP 00377+ weißer Farbring P 172

Der Silberreiher ist ein weit verbreiteter Wintergast in Brandenburg . Die Herkunft der Wintergäste ist bisher weitgehend ungeklärt. Der hier erwähnte Sil­berreiher wurde im Mai 2019 als Nestling in Litauen beringt. Im Januar 2021 konnte sein Farbring bei Trebatsch/ Landkreis Oder- Spree abgelesen werden. Er befand sich 852 km westsüdwestlich von seinem Beringungsort. In Litauen ist der Silberreiher erst seit wenigen Jahren Brutvogel.

Schelladler Clanga clanga Minsk BA 0497+ blauer Farbring EN

Hierzulande ist der Schelladler ein Ausnahmegast. Bei der Sichtung der Aufnahmen seiner Wildkame­ra, die an einem Aufbruch installiert war, entdeckte I. Wandrey dabei statt der erwarteten Mäusebussar­de einen Adler, der sich am 17. und 18.07.2017 fo­tografieren ließ. Noch erstaunlicher war, dass dieser Adler beringt war und über seinen Farbring eine Herkunft aus Weißrussland ermittelt werden konnte. Wie der belorussische Beringer V. Dombrowski mit­teilte, handelte es sich um einen Schelladler, der am 30.07.2015 im Rahmen eines Beringungsprojektes im Nationalpark Belowezhskaya Wald( Belarus ) von A. Kuzmitsky als Nestling beringt wurde. In seinem 3. Lebensjahr führten ihn seine Wanderungen nun nach Brandenburg in die Nähe von Friesack . Neben dem 10. Nachweis eines Schelladlers in Brandenburg handelt es sich wohl um die erste Ringablesung in Deutschland , denn die Art wurde im Ringfundatlas nicht bearbeitet( BAIRLEIN et al. 2014). Bekannt sind hingegen die Wanderungen des im Jahr 2008 in Est­ land als Nestling besenderten Schelladlers Tönn, der auf seinem Zug ins Winterquartier nach Spanien in den Jahren 2008 bis 2010 auch über Brandenburg geortet wurde. Zusätzlich konnten in Brandenburg bisher vier Hybriden aus Schell- und Schreiadler