Heft 
(2017) 103
Seite
140
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140 Fontane Blätter 103 Vermischtes George und Theodor Fontane. 1 Briefe Hoffnungen Trauer Heide Streiter-Buscher Söhne und Väter. Kein Menschenzeitalter ohne dieses Spannungsduo. Von den drei Söhnen Theodor Fontanes musste George, der Erstgeborene, die klassische Rolle übernehmen. Er wusste es wohl nicht. Und der Vater? Hat er es gewusst? Und wusste er, was er tat, als er den Sohn unter die Soldaten schickte? Wir wollen uns kein spätes Urteil darüber anmaßen. Aber wir können heute Einblick nehmen in diese Vater-Sohn-Beziehung, weil sich, dem Zufall sei Dank, ein Fenster geöffnet hat, ein Brieffenster. Nicht Geor­ges Briefe an seine Eltern, Geschwister und andere Adressaten sind es; sie gehören weiterhin zu den seit 1945 vermissten Beständen des Theodor-­Fontane-Archivs. 2 Nein, es sind die 38 Briefe und sieben Postkarten, die George in siebzehn Jahren(1869–1886) an die Schriftstellerin Ludovica Hesekiel, seine Spielgefährtin aus Kindertagen und schwesterliche Ver­traute, gerichtet hat. Das Staatsarchiv Coburg hat sich in glückhafter Weise als Fundort dieser Briefe erwiesen. 3 Sie ergänzen und erweitern das»Le­bensbild« George Fontanes, das Edith Krauß aus bisher bekannten und un­bekannten Dokumenten zusammengetragen hat. 4 Ludovicas Gegenbriefe gelten als verschollen. Sie war die älteste Toch­ter des Journalisten und Schriftstellers George Hesekiel. Früh entwickelte sie sehr zum Missfallen des Vaters ein starkes Bewusstsein ihrer Aufga­be als Schriftstellerin. In einer auf männliche Schreibdominanz aufgebau­ten Literaturwelt war das für eine junge Bürgerliche ein nur begrenzt aner­kannter Lebensweg. Bis 1887, als sie vierzigjährig den verwitweten Pfarrer Wilhelm Johnsen aus Neustadt bei Coburg heiratete, hatte sie hintereinan­der weg 29, oft mehrbändige Werke veröffentlicht, zumeist Romane und Erzählungen trivial-literarischen, vaterländisch-historischen Inhalts, die dem erstarkten Nationalbewusstsein nach der Reichseinigung entgegenka­men. Ihre erzieherisch angelegten Vergangenheitsbilder vermitteln eine preußisch-protestantische Ethik auf einer konservativ grundierten, vor­zugsweise im Adel angesiedelten Daseinsbühne, wo stets das Böse bestraft wird und das Gute siegt.»Huschel-Lise« hat Fontane sie genannt. 5 Und