Heft 
(1987) 44
Seite
603
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Günter de Bruyn (Berlin)

Ein unveröffentlichter Fontane-Brief aus derWanderungs"-Zeit

Daß der nachstehend mitgeteilte Brief Fontanes* anHochgeehrter Herr", in dem nach den Woellner-Bildern in Groß-Rietz gefragt wird, zurOsterfahrt in das Land Beeskow-Storkow" 2 , einem der schönstenWanderungs"-Kapitel, gehört, ist auf den ersten Blick klar. Unklar dagegen bleibt, an wen das Schreiben sich richtet.

Aus dem Text derOsterfahrt" auf den Adressaten des Briefes zu schließen, verbietet sich. Erstens geht aus dem Brief hervor, daß Fontane auf seiner Fahrtum den großen Schermützel 3 herum" die Person, der er schreibt, nicht traf, und zweitens darf man dieOsterfahrt", deren kunstvolle Gestaltung jedem Romankapitel Ehre machte, nicht für eine Reportage halten, die den tatsächlichen Begebenheiten genau entsprach. Da wurde erfunden und weg­gelassen, Wahrheit und Dichtung um der Wirkung willen also gemischt. Während der Kutscher Moll 4 , den es tatsächlich gab, in kräftigen Farben aus­gemalt wurde, verschwand das Apotheker-Ehepaar Roggatz aus Fürstenwalde 5 , das mit von der Partie war, ganz aus dem Bild. Nach dem im Wald lebenden Emeritus mit der abenteuerlichen Biographie, der angeblich Pastor in Pieskow gewesen war (wo es nie einen gegeben hat), wird man wohl immer ver­geblich forschen; und falls die Groß-Rietzer auf die Idee kämen, an ihrem Gasthof eine Tafel mit der AufschriftHier verbrachte Theodor Fontane die Nacht vom 8. zum 9. April 1881" anzubringen, würden sie einer Fiktion zum Opfer fallen; denn weder Autor noch Kutscher schliefen hier bei Vollmond­schein ein, um am nächsten Tag Blossin aufzusuchen: die kleine Reisegesell­schaft kehrte vielmehr noch .am Abend des 8. April nach Fürstenwalde zurück. 6

Da Fontanes Auskunftsperson in Groß-Rietz, lautOsterfahrt", der Kantor war, könnte als der Briefadressat, dervor fast 6 Jahren" Fontane von den Woell­ner-Bildern berichtet hatte, der nicht auftretende Pastor des Dorfes vermutet werden; doch macht dasEvangelische Pfarrerbuch" 7 diese Annahme zunichte, indem es mitteilt, daß der damalige Pastor von Groß-Rietz erst vier Jahre in dieser Gegend war. Die Frage würde also wahrscheinlich unaufgeklärt bleiben, hätte Fontane nicht seine Korrespondenz im Tagebuch vermerkt. Unter dem Datum des Briefes, dem 12. April 1881, einem Dienstag, heißt es dort:Brief an G. Roggatz in Fürstenwalde und an Pastor Waubke in Pfaffendorf." Beides waren also Briefe, die sich auf Fontanes letzte Fahrt ins Märkische bezogen. Der an Roggatz wird ein Dankbrief für die gewährte Gastfreund­schaft gewesen sein, dem schon ein Dankgeschenk vorausgegangen war: ein Exemplar vonVor dem Sturm" 8 ; der zweite, unten abgedruckte, holte Erkun­digungen ein: von Pastor Waubke 9 , der von Fontanes Jahrgang (also auch schon 62) war, seit 27 Jahren in der Gegend von Groß-Rietz (in Beeskow, Sauen, Pfaffendorf) amtierte und Fontane (um 1875 etwa) auf die Woellner- Bilder hingewiesen hatte. Interesse an der ungewöhnlichen Karriere des