Günter de Bruyn (Berlin)
Ein unveröffentlichter Fontane-Brief aus der „Wanderungs"-Zeit
Daß der nachstehend mitgeteilte Brief Fontanes* an „Hochgeehrter Herr", in dem nach den Woellner-Bildern in Groß-Rietz gefragt wird, zur „Osterfahrt in das Land Beeskow-Storkow" 2 , einem der schönsten „Wanderungs"-Kapitel, gehört, ist auf den ersten Blick klar. Unklar dagegen bleibt, an wen das Schreiben sich richtet.
Aus dem Text der „Osterfahrt" auf den Adressaten des Briefes zu schließen, verbietet sich. Erstens geht aus dem Brief hervor, daß Fontane auf seiner Fahrt „um den großen Schermützel 3 herum" die Person, der er schreibt, nicht traf, und zweitens darf man die „Osterfahrt", deren kunstvolle Gestaltung jedem Romankapitel Ehre machte, nicht für eine Reportage halten, die den tatsächlichen Begebenheiten genau entsprach. Da wurde erfunden und weggelassen, Wahrheit und Dichtung um der Wirkung willen also gemischt. Während der Kutscher Moll 4 , den es tatsächlich gab, in kräftigen Farben ausgemalt wurde, verschwand das Apotheker-Ehepaar Roggatz aus Fürstenwalde 5 , das mit von der Partie war, ganz aus dem Bild. Nach dem im Wald lebenden Emeritus mit der abenteuerlichen Biographie, der angeblich Pastor in Pieskow gewesen war (wo es nie einen gegeben hat), wird man wohl immer vergeblich forschen; und falls die Groß-Rietzer auf die Idee kämen, an ihrem Gasthof eine Tafel mit der Aufschrift „Hier verbrachte Theodor Fontane die Nacht vom 8. zum 9. April 1881" anzubringen, würden sie einer Fiktion zum Opfer fallen; denn weder Autor noch Kutscher schliefen hier bei Vollmondschein ein, um am nächsten Tag Blossin aufzusuchen: die kleine Reisegesellschaft kehrte vielmehr noch .am Abend des 8. April nach Fürstenwalde zurück. 6
Da Fontanes Auskunftsperson in Groß-Rietz, laut „Osterfahrt", der Kantor war, könnte als der Briefadressat, der „vor fast 6 Jahren" Fontane von den Woellner-Bildern berichtet hatte, der nicht auftretende Pastor des Dorfes vermutet werden; doch macht das „Evangelische Pfarrerbuch" 7 diese Annahme zunichte, indem es mitteilt, daß der damalige Pastor von Groß-Rietz erst vier Jahre in dieser Gegend war. Die Frage würde also wahrscheinlich unaufgeklärt bleiben, hätte Fontane nicht seine Korrespondenz im Tagebuch vermerkt. Unter dem Datum des Briefes, dem 12. April 1881, einem Dienstag, heißt es dort: „Brief an G. Roggatz in Fürstenwalde und an Pastor Waubke in Pfaffendorf." Beides waren also Briefe, die sich auf Fontanes letzte Fahrt ins Märkische bezogen. Der an Roggatz wird ein Dankbrief für die gewährte Gastfreundschaft gewesen sein, dem schon ein Dankgeschenk vorausgegangen war: ein Exemplar von „Vor dem Sturm" 8 ; der zweite, unten abgedruckte, holte Erkundigungen ein: von Pastor Waubke 9 , der von Fontanes Jahrgang (also auch schon 62) war, seit 27 Jahren in der Gegend von Groß-Rietz (in Beeskow, Sauen, Pfaffendorf) amtierte und Fontane (um 1875 etwa) auf die Woellner- Bilder hingewiesen hatte. Interesse an der ungewöhnlichen Karriere des