Heft 
(2023) 115
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24 Fontane Blätter 115 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes weniger Traum. Und begriffen habe ich auch, weshalb Fontane nie eine Auszeichnung von Amtswegen zu Theil ward. Er ist wirklich zu schade für einen Orden. Aber das Volk sollte ihn auszeichnen. Ihn auszeichnen, indem es seine Werke liest und kauft. In Frankreich wär er Millionär. Hier bei uns gewinnt man die Millionärschaft auf der echten Dichtung Pfaden nicht. Die Zahl der Auflagen, welche die Verlagshandlung hinter Fontanes Büchern mittheilt, ist nicht erheblich groß. Ganz wie Frau Jenny Treibel sind die Berliner im Besonderen und die Deutschen im Allgemeinen: sie sind sehr für das Höhe­re und lieben ihre Dichter wenn es nur nichts kostet! Und daß die Werke dieses größten und wahrsten unter den lebenden deu[t]schen Dichtern nicht in tausenden und abertausenden von Exemplaren durch Land und Stadt gegangen sind, das ist das Bezeichnendste für unseren sogenannten Kulturzustand. Theodor Fontane ist in den letzten Monaten und Wochen ein wenig ge­bückter gegangen, als sonst. Jetzt hebt er schon wieder muthiger das kluge gute Haupt. Er darf schon wieder am Schreibtisch sitzen in dem einfachen, quadratischen Zimmer mit den weißen Gardinen und den Bildern aus der Preußengeschichte. Arbeiten kann er wieder. Und da wollen wir nur bitten und betteln: noch einmal»Irrungen, Wirrungen«, noch eine»Frau Jenny Treibel«! Berliner Tageblatt. Berlin . Nr. 570, 9. November 1892, 1. Beiblatt »Er war nicht gefeit gegen leichten Schnupfen der Seele« Theodor Wolffs Erinnerungen an Theodor Fontane , Juli 1940 Zwischen Theodor Fontane und mir lag eine Altersspanne von fünfzig Jah­ren und bei solchem Unterschied klingt es immer vermessen, wenn der Jün­gere sich»Freund« nennt, man ist Schüler, liebender Verehrer, treu beglei­tender Famulus. Liebend verehrt habe ich Theodor Fontane und begleitet habe ich ihn oft. Er war ganz so, wie man ihn in seinen Dichtungen empfin­det, eine größere Einheit von Persönlichkeit und schriftstellerischer Schöp­fung ist nicht denkbar, sein Gesicht hatte eine außerordentliche, helle Klar­heit, kein Winkel für Verstecktheit war darin. Der Kopf mit dem von der Schädelhöhe lockig rückwärts fallenden weißen Haar, dem die Lippen ver­deckenden Schnurrbart, den klugen und schönen Augen und die hohe, auf­rechte, durch keine Embonpoint beschwerte Gestalt hatten eine liebens­würdige Vornehmheit. Sein ganzes Wesen war durchwoben von einer feinen Anmut und wie in so vielem, was er dichtete und schrieb, hatte auch in seinem Umgang die Ironie diese Feinheit und Anmut, dieses leichte An­tupfen, dieses verstehende Lächeln, diesen Wiederschein eines Herzens,