Heft 
(2023) 115
Seite
26
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26 Fontane Blätter 115 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Einwendungen und Lob. Ich kam nun häufig zu ihm, seine mit behaglicher altmodischer Einfachheit eingerichtete Wohnung war in dem Hause des Jo­hanniterordens in der Potsdamerstraße, unter seinen Fenstern hing das Ordensschild mit dem roten Johanniterkreuz. Seine Frau sah es gern, daß ich ihn des Morgens abholte und auf seinem Spaziergang, ein bißchen auf­passend, bei ihm war. An etwas kühlen Tagen legte sie ihm den großen schottischen, blau und grünkarierten Schal über die Schultern, er trug ihn meistens so außen, auf dem Mantel, mehr den Rücken als den Hals schützend und dann ma[r]schierten wir ab. Einmal zog sie mich beiseite und flüsterte mir zu:»Sagen Sie ihm doch, daß er berühmt ist, er ist so be­scheiden und will es nicht glauben, und nicht wa[h]r, er ist doch berühmt?« Unterwegs führte ich den Auftrag aus, er lächelte und widersprach, halb skeptisch und halb überzeugt, aber Vergnügen bereitete ihm die stark be­tonte Behauptung doch. Ein anderes Mal gingen wir auf dem Promenaden­weg gegenüber der Häuserreihe der Tiergartenstraße, damals der Millio­närsstraße, dort, wo jetzt, mit entschieden zu langen Beinen, sein marmornes Denkmal steht. Er nahm aus der Tasche ein Notizbuch und sagte:»Ich habe mir die Namen der Villenbesitzer aufgeschrieben, es ist doch hübsch, zu wissen, wer die reichen Leute dort drüben sind.« Wir schritten an dem Pa­radespalier der Millionäre entlang, und er nannte belustigt die Eigentümer der schönen Villen und der in den Gartenbeeten bunt leuchtenden Blumen­pracht. Ein Fünkchen boshaften Spottes war in seinem Amüsement, aber es war eine sehr milde, gutmütige und völlig neidlose Boshaftigkeit. Margrit Bröhan (Hrsg.): Theodor Wolff . Erlebnisse, Erinnerungen, Gedanken im südfranzösischen Exil. Boppard a. Rhein 1992, S. 116–117