Fontanes Briefe an Theodor Wolff Möller 33 [3] Theodor Fontane an Theodor Wolff , Berlin , 28. April 1890 Berlin , 28. April 90 Potsd. Str. 134. c. Hochgeehrter Herr, Ja, das ist eine kitzliche Sache, – so ganz genau weiß ich es selber nicht. Schuld an diesem Nichtwissen ist, daß ich meine Geschichten oft jahrelang lagern lasse, was mit den Zwischenschüben, die nun eintreten, allein schon ausreicht, Unsicherheiten zu schaffen; sind nun aber die auf Lager gelegten Geschichten auch nicht einmal ganz fertig, so wird eine völlige Confusion geboren, und Ostern und Pfingsten fallen nicht blos auf einen Tag, sondern Pfingsten rangiert auch wohl ´mal vor. Ich glaube, daß es so hergegangen ist: Schon Anfang der 80er Jahre habe ich die ersten Kapitel von»Irrungen« etc. geschrieben, aber nur bis zu der Stelle, wo Botho zum Abendbesuch kommt und getanzt wird, während der alte Dörr das Kaffeebrett schlägt; dann kamen jahrelang ganz andre Arbeiten und etwa 1885 schrieb ich»Stine« bis zu dem Hauptkapitel, wo der alte Graf und die Pittelkow in dem»Unthätchen«-Gespräch aufeinanderplatzen. Dann wieder ganz andre Arbeiten, bis ich etwa Ausgangs 86,»Irrun gen Wirrungen « fertig schrieb und dann – mit abermaligem starkem Zwischenschub – etwa 88»Stine« fertig machte. Diese vielen Pausen und Zwischenschiebereien sind schuld, daß sich manches wiederholt. Am deutlichsten tritt dies bei den Ulkereien mit den Namensgebungen hervor; Sarastro, Papageno, Königin der Nacht, das war, glaub´ ich, ein ganz guter Einfall, den wir auf 85 oder vielleicht etwas früher festsetzen können; als ich nun Ausgangs 86, also nach mehr als anderthalb Jahren, wieder»Irrungen Wirrungen « aufnahm und fertig machte, hatte ich meinen Sarastro etc ganz vergessen und machte nun den Witz noch ´mal, indem ich der ganzen Demimonde-Gesellschaft die Namen aus Schillers»Jungfrau« gab. Hätte ich den Sarastro noch im Gedächtniß gehabt, so hätte ich das vermieden. Und so ist es mit vielen andern Einzelheiten. Es ließ sich aber nicht mehr herausschaffen. In vorzügl. Ergebenheit Th. F .
Heft  
(2023) 115
Seite
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