Heft 
(2023) 115
Seite
72
Einzelbild herunterladen

72 Fontane Blätter 115 Dossier: Fontanes Fragmente. Fortsetzung und englischer Dichtung«(Z. 247–248),»von bürgerlich-professorlichem Stempel«(Z. 200–201), die Ehefrau»ganz aristokratisch«,»eine glänzende Tänzerin«,»ehrgeizig und von einem stillen abenteuerlichen Hange«(Z. 205, 214, 215–216), die Tochter eines Rittergutsbesitzers und dessen»schöner Frau«(Z. 207). Als sie die Bekanntschaft eines Prinzen machen, entfremdet sich das Ehepaar. Die Frau flieht aus der Ehe und wird die Geliebte des Prin­zen. Nach Jahren findet das Ehepaar beim Begräbnis der Mutter wieder zu­sammen. Konzeption 3: Der Schwerpunkt liegt auf den hier bürgerlichen El­tern der Ehefrau: dem Geheimen Seehandlungsrat Niesewetter und seiner Frau, einer ehemaligen Schauspielerin(»die sogenannte Kaiserin-Wittwe oder Königin Pomaré«, Z. 258), die auf Äußerlichkeiten fixiert ist und eine preußisch-konservative Haltung zur Schau trägt(Verehrerin Friedrich Wil­helms III., Russlandmotiv). Die Ehefrau hat eine ältere Schwester, die mit einem»walachischen Bojaren«(Z. 287) verheiratet ist. Der Ehemann ist Le­xikograph. Die Mutter stachelt die Ehefrau zunächst zur Unzufriedenheit, schließlich zur Untreue an. Ihre Argumentation, ihr Schwiegersohn ver­nachlässige seine Frau zugunsten seiner wissenschaftlichen Arbeit(»Wer über seinem Lexikon seine Frau vernachlässigt, ist noch verwerflicher wie wenn ers um ein andres Menschenbild thut«, Z. 284–285), greift ein Motiv auf, das sich auch bei Berthold Auerbach in Die Frau Professorin(1846) und bei Gustav Freytag in Die verlorene Handschrift(1864) findet. 7 Vergleicht man die drei Konzeptionen im Hinblick auf die Handlungs­entwicklung, so fällt auf, dass sich der Fokus mehr und mehr auf das Motiv der Frau für den Ausbruch aus der Ehe verschiebt. Ihre Motivierung grün­det in der»Mésalliance«, das heißt im unterschiedlichen soziokulturellen Hintergrund der Ehepartner, und wird verstärkt durch die Manipulation, der sie von Seiten ihres Herkunftsmilieus unterliegt. Dieses ist stets durch weibliche Vertreterinnen repräsentiert: in Konzeption 1 durch eine aus der Provinz mit nach Berlin gezogene Amme oder Bedienstete, in den Konzep­tionen 2 und 3 durch die Mutter. Konzeption 3 beschränkt sich, soweit über­liefert, vollständig auf die Charakterisierung des Elternhauses, insbeson­dere der manipulativen Mutter und ihres Verhältnisses sowohl zur Tochter als auch zum Schwiegersohn; vermuten lässt sich überdies, dass die Mutter durch die Schwester in dieser Funktion gleichsam verdoppelt wird. Hinge­gen wird das titelgebende»Wiederfinden« lediglich in der ersten Konzep­tion szenisch ausgeführt(Z. 139–197). Dass Fontane sich besonders für die Darstellung der Vorgeschichte und des Herkunftsmilieus interessierte, in der dadurch bedingten Verschiebung des Fokus aber eine kompositionelle Schwierigkeit erblickte, zeigen ver­schiedene metanarrative 8 Überlegungen, die er auf den Manuskriptseiten notierte, so in Konzeption 1 zu dem alternativen Anfang:»Gut Die lange Bromberg-Einleitung u Vergangenheit fällt fort«(Z. 121; vgl. Abb. 3 links)