Fontane und die Familie Sonnenthal Beck 9 Berlin 2. Januar[18]91. Potsd. Str. 134. c. Hochgeehrter Herr Commerzienrath. Ihre eben eintreffende Karte war meiner Frau und mir eine große Freude, – sie rief uns die schönen Kissinger Tage zurück. Gedacht haben wir inzwischen Ihrer sehr oft, noch häufiger der Frau Gemahlin und am häufigsten deren Stimme.[Richard] Schubring, mit seinem Enthusiasmus, hatte nach meinem Laiengefühl ganz recht und es ist bei mir, wenn ich eine Sängerin höre, eine beinah stehende Wendung geworden»da sang doch die liebenswürdige Commerzienräthin in Kissingen ganz anders; die hatte eine Stimme.« So wirkt gute That nach. Mit der Bitte mich Frau Gemahlin angelegentlichst empfehlen zu wollen, in vorzüglicher Ergebenheit Th. Fontane . 2 Als Fontane im folgenden Jahr mit seiner Frau wiederum in Bad Kissingen war, erfuhr er, dass Hugo Sonnenthal sich ebenfalls im Kurbad aufhielt und entschloss sich, ihn zu besuchen. Leider war der Dessauer Kommerzienrat kurz zuvor abgereist, als er ihn am 25. Juni 1891 in dessen Unterkunft – der Villa Goebel – aufsuchen wollte. Noch am selben Tag schrieb Fontane ihm einen Brief, der bisher von der Forschung nicht zugeordnet werden konnte, da er ohne Nennung des Adressaten überliefert wurde und so Eingang in die»Collections Aristophil« fand und sich heute in Privatbesitz befindet. 3 Mit Hilfe der Kissinger Kurliste konnte Hugo Sonnenthal jedoch als Adressat des Briefes identifiziert werden. Fontane bedauerte in dem Schreiben, Sonnenthal vor dessen Abreise verpasst zu haben: Kissingen 25. Juni[18]91. Hochgeehrter Herr Commerzienrath. »Der Herr Commerzienrath ist vor einer halben Stunde abgereist«, so hieß es gestern Mittag in Villa Goebel, als ich vorsprach, um mich nach Ihrem Ergehen zu erkundigen. Es war diesmal ein beständiges Verfehlen und wenn uns ein freundliches Schicksal noch einmal in Kissingen zusammenführt, so trifft es sich in diesem Punkte hoffentlich glücklicher. Mit der Bitte, mich Frau Gemahlin angelegentlichst empfehlen zu wollen, in vorzügl. Ergebenheit Th. Fontane . 4
Heft  
(2023) 116
Seite
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