Heft 
(2023) 116
Seite
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12 Fontane Blätter 116 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Auch nach dem Brief vom Juni 1891 blieben die Sonnenthals und Fontane in Kontakt. So gratulierten Hugo und Adele Sonnenthal etwa im Dezember 1894 dem Autor zu dessen 75. Geburtstag und übersandten ihm als Präsent eine Palme, für die sich Fontane bereits einen Tag nach seinem Geburtstag am 31. Dezember 1894 bedankte: Berlin 31. Dezb.[18]94 Potsdamerstraße 134. c. Hochverehrte gnädigste Frau. In der Regel, wie die alte Wendung lautet,»sieht man viele, die nicht da sind«; 5 an Tagen aber, wie der gestrige, sind viele da, die man sonst nicht sieht. Und das ist vielleicht das Beste solcher Feststunden, daß sie einem zu Gemüthe führen, wie viel Schönem und Liebenswürdigem man im Leben begegnen durfte. Seien Sie aufs herzlichste für die Palme bedankt, unter der man sicher un­gestraft wandelt, 6 zumal wenn solche Worte sie begleiten. 7 Unter besten Grüßen und Empfehlungen von meiner Frau, zugleich mit der Bitte, mich Ihrem Herrn Gemahl, dem ich für seine angefügten Zeilen herz­lich danke, empfehlen zu wollen, in vorzüglicher Ergebenheit Th. Fontane . 8 Die Bekanntschaft Fontanes mit den Sonnenthals ist ein weiteres wenn auch nicht so prominentes Beispiel für die zahlreichen Freundschaften, die der Autor mit praktizierenden und konvertierten Juden wie etwa dem Amtsrichter Georg Friedlaender (1843–1914) und den Geschwistern Marie Sternheim(geb. Meyer) und Dr. Paul Meyer(1857–1935) pflegte. Im persön­lichen Umgang und im brieflichen Austausch mit der Dessauer Bankiersfa­milie zeigte sich der»philosemitsche Antisemit« 9 Fontane von seiner char­manten und zuvorkommenden Seite. An den Sonnenthals dürfte Fontane vor allem deren Bildung und Kultiviertheit geschätzt haben. Hugo Sonnenthal(1845–1921) stammte aus einer der angesehensten jü­dischen Familien Dessaus, die sich dort bis ins 17. Jahrhundert zurückver­folgen lässt. 10 Er war das älteste von neun Kindern des Bankiers August (Joseph) Sonnenthal(1812–1867) und dessen zweiter Frau Therese Ahlfeld (1825–1866). Nach dem Tod des Vaters leitete er über 40 Jahre lang die Ge­schicke der Sonnenthalschen Privatbank. Im repräsentativen Wohn- und Geschäftshaus der Sonnenthals, das neben dem Herzoglichen Hoftheater lag, gingen nicht nur die führenden Vertreter der Dessauer Gesellschaft, sondern auch zahlreiche Künstlerinnen und Künstler ein und aus. 11 Eng befreundet waren die Sonnenthals mit den Sopranistinnen Käthe und Lie­ sel von Schuch , den Töchtern des Dirigenten Ernst von Schuch (1840–1914) und dessen Frau, der Koloratursopranistin Clementine Schuch-Proska