Heft 
(2023) 116
Seite
28
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28 Fontane Blätter 116 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Verheiratet war Linsemann mit der Schauspielerin Nina Sandow, geboren am 16. Oktober 1860 in Brünn , Tochter des Oberkantors Salomon Schwarz (1825–1889) 42 und dessen Ehefrau Eleonore Helene Schwarz geb. Katscher (1836–1916). Sandow war ihr Künstlername, 43 den sie seit ihrem Debüt am Meininger Hoftheater in der Spielzeit 1887/88 trug und auch weiterhin führte. Die Trauung fand am 16. Juni 1896 vor dem Standesamt in Berlin statt. Im Trauregistereintrag ist»mosaisch« als Religionszugehörigkeit fest­gehalten, während Linsemann evangelisch war. 44 Offenbar war Linsemann bis an sein Lebensende mit Nina Sandow verheiratet. 45 In einem rührenden Schreiben bedankte sich die 94-jährige Schauspielerin am 27. Juli 1954 bei Walter Unruh für die Übernahme des Linsemann-Nachlasses in seine the­aterwissenschaftliche Sammlung: Großen Dank bin ich Ihnen schuldig für die Anerkennung des wertvol­len Materials aus der Hinterlassenschaft meines Mannes, u. den würdi­gen Platz, den Sie ihm angewiesen, dass der Name Paul Linsemann nicht vergessen ist u.[] später einmal vielleicht wieder Leben gewinnt. 46 Als Mitangeklagter im Strafprozess gegen»Schwarz und Gen.« wurde Lin­semann am 13. Mai 1896 wegen seiner Beteiligung an einem Duell von der 8. Strafkammer des Königlichen Landesgerichts I Berlin zu einer einwöchi­gen Festungshaft verurteilt. Die Ladung zum Strafantritt am 22. September 1896 auf der Festung Weichselmünde bei Danzig wurde am 13. Juli 1896 ausgefertigt und am 15. Juli zugestellt. Am 18. Dezember wurde der Straf­bescheid erneut ausgefertigt, die Zustellung erfolgte am nächsten Tag. Diesmal wurde Linsemann aufgefordert, seine Haftstrafe am 28. Dezember 1896 auf der Festung Magdeburg anzutreten. Zur Begründung heißt es: »Infolge besonderer Umstände ist davon Abstand genommen, daß Sie die Strafe in der Festung Weichselmünde verbüßen.« 47 Wie man der hier abge­druckten Korrespondenz entnehmen kann(Brief 3), hat Linsemann den Jahreswechsel 1896/1897 tatsächlich auf der Festung Magdeburg zuge­bracht. Später verarbeitete er dieses kuriose Erlebnis in der autobiographi­schen Humoreske Ut mine Festungstid, die im August 1903 in der Zeitschrift Zur guten Stunde erschien. Durch den Titel knüpfte Linsemann an Fritz Reuters berühmten autobiographischen Roman an. Die Daten und Fakten seines eigenen Verfahrens hat er mit großer Wirklichkeitsnähe verarbeitet. Der mit einer Schauspielerin verheiratete Berliner Schriftsteller Paul Linse­mann berichtet als Ich-Erzähler, wie überraschend der Strafbescheid der Staatsanwaltschaft eintrifft,»ein länglich zusammengeknifftes Schreiben [], das mit der ominiösen[!] schwarz-weißen Oblate geschlossen war, die um das preußische Wappen die Inschrift trug: ›Staatsanwaltschaft b. d. Koen. Preuß. Landgericht I. Berlin.« 48 Auch der Strafbefehl wird beinahe wörtlich zitiert, nur die Daten sind geringfügig verändert, der Hauptange­klagte heißt hier Bertram und die Festung erhält den fiktiven Namen Neu­enberg. Auf den Vorwurf seiner Frau, er habe ihr von der Affäre noch gar