Heft 
(2023) 116
Seite
61
Einzelbild herunterladen

Kriegsgefangen in der Übersetzung von Jean Thorel  Anke 61 was das Balancierbrett anging, das dem Kutscher und mir als Sitz diente, so war es ganz und gar skandinavisch, nur der Skudsjunge fehlte. Statt dessen hatte auf dem rechten Brettflügel ein Alter in einem Schafpelz mit langhaariger Ziegenfellpelerine Platz genommen. Dies sah unendlich ­komisch aus.(F 120) Le mot voiture est peut-être un peu prétentieux pour désigner la caisse montée sur deux roues je me hissai. La planche prétendue suspendue je massis était déjà occupée par le cocher et par un vieillard, envelop­ dans une grande pèlerine à long poil de chèvre, qui lui donnait un aspect très comique.(T 136) Dass es sich bei der Übersetzung um keine modelltreue Nachbildung han­delt, ist offensichtlich: Das kurios-bizarre Erscheinungsbild des schäbigen Fuhrwerks wird durch vereinfachende Umschreibungen wiedergegeben, die sich folgenderweise rückübersetzen ließen: »Wagen« ist vielleicht ein etwas anmaßendes Wort, um diesen auf zwei Rändern montierten Kasten, auf den ich mich hievte, zu bezeichnen. Das vorgeblich befestigte Brett, auf das ich mich setzte, war bereits von dem Kutscher und einem Greisen eingenommen. Letzterer war in eine lange Ziegenfellpelerine gehüllt, was ihm eine sehr komische Erscheinung verlieh. Weder der Verbrecherkarren noch die norwegische Karriolpost oder gar der Skudsjunge finden auf dem französischen, von kulturellen Vergleichen entlasteten»Kasten« Platz. Die beiden Vergleiche, zwischen denen Fontane balanciert, verschwinden gänzlich; vom skandinavischen Kolorit ganz zu schweigen. Auch dieses Beispiel illustriert eine Übersetzung, die»den Leser möglichst in Ruhe« lässt und ihm den Schriftsteller»entgegen bewegt« wohl aber kaum auf einer norwegischen Karriolpost. Pelzige Haie, Hexen mit Adlernasen und paradierende Seminaristen: Eine unglaubliche Lokalität Beobachtungen zu den Irrungen und Wirrungen der Übersetzungskunst Da Thorel zu seiner Kriegsgefangen- Übersetzung keine weiteren Dokumen­te, Kommentare oder Erklärungen hinterlassen hat, muss man sich mit Deu­tungshypothesen zufriedengeben. Auch soll diese Analyse keine wertende sein, wandeln sich doch die Kriterien einer ›guten‹ bzw. ›schlechten‹ Über­setzung mit der Zeit. Vielmehr soll es darum gehen, die markantesten Unter­schiede zwischen Ausgangstext und Übersetzung hervorzuheben und im Lichte ihres kulturhistorischen Kontexts zu interpretieren. Einige etwas sonderbare Passagen widersetzen sich allerdings einer kohärenten Inter­pretation: Handelt es sich um Flüchtigkeitsfehler, Ausrutscher, mangelnde Sprachkenntnis, bewusste oder unbewusste Textmanipulation? Die Über-