Adolph von Menzels Lesende Dame Busch 19 Restauratorische Besonderheiten und Rahmung Die genaue restauratorische Untersuchung der Gouache hat auf der Vorderseite vor allem im Bereich der Ränder mechanische Schäden, Verfärbungen und minimale Retuschen feststellen können, die auf unterschiedliche Aufbewahrungs- und Ausstellungsszenarien verweisen. 29 Farbablösungen sind entstanden, weil das Blatt von vorne überlappend in eine Passepartoutblende geklebt wurde, ein nicht unübliches Verfahren, das jedoch im Moment des Herauslösens Schäden hinterlassen kann. Davon betroffen ist auch der Aufstrich des Buchstaben»M« in der Menzelschen Signatur. Die Analyse der Widmungsrückseite ist vor allem hinsichtlich der Kleberückstände in allen vier Ecken von Interesse, weil sie die brieflichen Aussagen der Kinder Fontanes zur Einklebung in ein Album bestätigen. Die im Rahmen der restauratorischen Untersuchung erfolgte punktuelle Ablösung eines 1 mm breiten Rändelbandes auf der Rückseite, das die Schrift der Widmung am linken Rand minimal überdeckt, macht deutlich, dass der Malkarton nicht beschnitten und auch die Widmung direkt auf den Karton aufgebracht worden ist. Die sehr schmale Rändelung lässt vermuten, dass man bereits bei früheren Rahmungen bestrebt war, die Widmungsrückseite zusätzlich zur Bildhauptseite zu zeigen. Das Theodor-Fontane-Archiv teilt dieses Interesse: Die Öffnung der Rahmenrückseite und die Anfertigung eines doppelseitigen Passepartout-Ausschnitts sowie eines speziellen Rahmeneinsatzes ermöglicht es den Betrachtenden des aufrecht stehenden Bildnisses nun, sowohl die Bild- als auch die Widmungsseite anzusehen. Der Rahmen, in dem das Bild derzeit gezeigt wird, ist ebenfalls Gegenstand genauerer Untersuchung geworden. Aus den Unterlagen der Galerie Heinemann geht hervor, dass im Zuge der Verkaufsbestrebungen am 30. Juli 1938 ein Rahmen für die Lesende Dame in der bekannten Rahmen- und Vergolderwerkstatt Pfefferle, München , angefertigt und zu einem Preis von 37,30 Reichsmark erworben wurde. 30 Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei dem Rahmen, in dem die Lesende Dame ins Theodor-Fontane-Archiv gekommen ist, nicht um den 1938 angefertigten. 31 Der jetzige Rahmen entspricht nicht den im Hause Pfefferle verwendeten Mustervorlagen, die in der Regel Einzelanfertigungen sind. Es handelt sich eher um eine vorgefertigte Serienleiste. Auch die auf der Rückseite aufgeklebten Holzdreiecke, die den Rahmen zusammenhalten, und die scharfen Gehrungsschnitte sprechen für eine Serienproduktion. Bild und Rahmen haben also erst später zueinandergefunden. Dass der Rahmen nicht ursprünglich für die Lesende Dame angefertigt wurde, davon zeugt auch der Stempel»Marienlyst Slot« samt Nummerierung»No. 55« auf seiner Rückseite. Für den Rahmen scheint ein anderer Sammlungszusammenhang vorzuliegen.
Heft  
(2024) 117
Seite
19
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