Heft 
(2024) 117
Seite
96
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96 Fontane Blätter 117 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte same Schicksale, ohne abnorme Charaktere oder hochgespannte Leiden­schaft«(S. 5-6), das heißt ohne jene handlungstreibende Unterhaltungskom­ponenten, auf die der gängige Roman nicht verzichten kann. Ein Aspekt, der Fontane für das gewöhnliche Leihbibliothekspublikum unattraktiv macht, was Ettlinger 1895 in seiner Rezension von Effi Briest gleichfalls hervorhebt: »Weniger an Handlung und Entwicklung«, so Ettlinger 1892,»kann man ei­gentlich nicht wohl verlangen«(S. 6). Trotz einiger kleinerer Ausstellungen, die den»Werth dieser seiner neuesten Schöpfung nur in sehr geringem Maße beeinträchtig[en]«, zeigt sich Ettlinger voller Bewunderung für den »nimmermüde[n], jugendkräftige[n] Alte[n], den wir gerne ›unsern‹ Fontane zu nennen pflegen«(S. 6) allerdings verrät er nicht, wen er hier mit»wir« meint. Wichtig schien ihm jedoch die Anspielung darauf, dass es in erlin einen»Fontanisten«-Kreis gäbe, in dem er verkehre. Ettlinger gründet einen Korrespondentendienst, das Salon-Feuilleton Die zweite große Tat des jungen Journalisten war nach der Madame Bova­ ry -Übersetzung 1893 die Gründung einer Feuilletonkorrespondenz, die den Titel Salon-Feuilleton. Wöchentliche Correspondenz für Zeitungen er­hielt. 15 Das Blatt war keine Publikumszeitschrift und wurde nicht über den Buchhandel vertrieben. Sowohl für Privatbezieher als auch für Bibliothe­ken war es unattraktiv, da die Rückseite des im Quartformat erscheinenden Blattes jeweils unbedruckt blieb. Das hatte einen praktischen Grund. Zei­tungsredakteure konnten gefahr- und umstandslos Artikel ausschneiden, auf ein Blatt kleben und direkt in die Setzerei geben. Die Feuilletonkorres­pondenz war also, wie der Titelzusatz schon angibt, ausschließlich für Re­daktionen von Tageszeitungen und Zeitschriften bestimmt, die damit ihren wachsenden Bedarf nach guten Feuilletonartikeln decken konnten. Denn für die Tagespresse war am Ende des 19. Jahrhunderts der Feuilletonteil »ein recht wirksames Mittel geworden, eine Zeitung populär zu machen« 16 und so ihren Marktanteil zu steigern. Seit den 1870er-Jahren gab es in Berlin eine ganze Reihe von Feuilleton­korrespondenzen, die monatlich, wöchentlich oder sogar täglich herauska­men und»die Tagespresse mit dem erforderlichen Feuilletonmaterial versorg[t]en«. 17 Unter dem Titel Feuilletonzeitung firmierten gleich drei ver­schiedene Unternehmungen. 18 Die Konkurrenz war also groß, als Ettlinger sein Salon-Feuilleton zunächst»aus eigenen Mitteln« 19 im Sommer 1893 aus der Taufe hob. Friedrich Fontane übernahm nach einiger Zeit den Verlag des Periodikums, das Ettlinger bis zu seinem Tod 1912 als Redakteur leite­te. 20 Damit bahnte sich eine langjährige Zusammenarbeit mit Friedrich Fontane an. Redakteur und Verleger brachten das Blatt schnell auf eine ge­achtete Höhe. Dahms hebt 1895 in seiner Übersicht von Berliner Feuilleton-