Heft 
(2024) 117
Seite
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120 Fontane Blätter 117 Freie Formen entgegengenommen(03.09.03). Und dort musste ich die Dresdener Affaire ja noch einmal darstellen, weil sie in die trostlos lange Verlobungszeit der ­Fontanes fällt, in der Emilie schrecklich gelitten hat. Und dafür wiederum hätte Beate viel Verständnis aufgebracht. In unse­rem Briefwechsel kommt sie immer wieder in Liebe und Hochachtung auf die Urgroßmutter zurück.»Emilie hing an ihrem Mann mit Herz und See­le«;»so ist eine gewisse Ähnlichkeit zu Emilies Wesen an uns nicht spurlos vorübergegangen«. Sie grämt sich, dass die Fotografien von Emilie sie so unvorteilhaft zeigen; sie hebt hervor, dass ihre Mutter»immer ein gutes Wort für die Großmutter eingelegt« habe, und sie schreibt sogar, dass»wir alle Emilie Abbitte leisten müssen für die Schattenrolle, die ihr zugescho­ben wurde«(alle Zitate 25.10.98). Am 19. August 2002 heißt es aufschluss­reich in Beates Brief an mich:»Als Emilie starb, war meine Mutter noch nicht 13 und ich habe oft darüber nachgedacht, wie sie die Großmutter, die sie ja nur selten sah, später so bewundern konnte. Leider kann ich manches nur ahnen und es mag sein, dass meine Eltern die so intensiv grassierende Skandal-Geschichte aus den Lepel-Briefen für bare Münze nahmen, weil es für sie keine andere Beweismöglichkeit gab, als Emilie in ihrer treuen Aus­dauer aufs beste zu würdigen.« Besonders liebevoll resümiert Beate ihr Urteil über die Urgroßmutter am 8. Dezember 2003: Sie»war im Grunde eine Quecksilber-Natur, die sich schnell von selber wieder aufrichten konnte und wenn es ihr zu dick ein­ging, suchte sie das Weite, bis sich die Stimmung gebessert hatte. Der Liebe tat dies keinen Abbruch.« Ich lese solche Bemerkungen wie einen vertrau­ensvollen Gruß zum 200. Geburtstag von Emilie Fontane . Mein Briefwechsel mit der Urenkelin erzählt die Geschichte einer Ob­session. Aber ich schätze ihn darüber hinaus als eine Kostbarkeit auch als zeitgeschichtliches Dokument und als Teil der Fontane-Forschungsge­schichte. Die Ereignisse in New York 2001, der Tod ihres Mannes 2002, das Elbe -Hochwasser 2004, die Tragödie in Afghanistan spielen in ihn genauso hinein wie ihre Betrachtungen über Mathilde von Rohr und(sehr beach­tenswert) die Fontaneschen Hausmädchen sowie ihre Mitteilungen über Julius Petersen ; neue Arbeiten von Helmuth Nürnberger und Regina Die­terle hat sie offenbar regelmäßig zur Kenntnis genommen. Interessant auch, wie sie(sichtlich bedauernd, wie viele Fontane -Freunde) die im Laufe der Jahrzehnte veränderte Konzeption der Fontane-Blätter wahrnimmt: vom regional- und heimatgeschichtlich orientierten Blättchen zur wissen­schaftlichen Zeitschrift. Sie lobt die alten Hefte aus der Schobeß-Ära, als »damals in der DDR-Zeit noch mehr mit dem Herzen gefühlt« wurde, und ist recht verdrossen, dass in den neueren Heften versucht werde, Fontane »›wissenschaftlich‹ zu Boden zu reißen«(01.10.99). Aber als sie mein Nach­wort zu einer Auswahl aus den Wanderungen gelesen hatte und bedauerte, dass ich dabei auch Fontane»politisch zu zerlegen und so manches