Heft 
(2024) 117
Seite
141
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Arbeitszimmer und Schreibtische  Hehle 141 bevorzugte er schlichte Tische mit großer Fläche, die allein dem Arbeiten, nicht der Aufbewahrung oder Repräsentation dienten. Dagegen ließ sich Schiller , als er nach Jahren ständiger Umzüge in Jena sesshaft wurde und sich mit Charlotte von Wolzogen verlobte, eine »Schreibcommode« machen, die er als sein»wichtigstes Meubel« bezeich­nete(S. 99). Im Weimarer Haus nutzte er eine ganze Mansarde als Wohn­und Arbeitsbereich, hinsichtlich Lichteinfall und Farben so gestaltet, dass sie seiner Produktivität möglichst förderlich war. Hier arbeitete er bis zu 14 Stunden täglich, um das Geld zu verdienen, das ihm erlauben sollte, das 1802 bezogene Haus abzubezahlen. Was ihm auch gelang: Bei seinem Tod 1805 war es schuldenfrei. Ein Archiv legte Schiller nicht an: Beim Entwer­fen seiner literarischen Texte produzierte er eine große Menge Papier , hatte aber kein Interesse an der Dokumentation des kreativen Prozesses und ver­nichtete das Material, sobald der Text publiziert war. Während sein Ver­brauch an Kaffee und Tabak konstant hoch war, dienten übrigens die be­rühmten verfaulenden Äpfel im Jenaer Gartenhaus, wie man bei Plachta erfährt, nicht als Stimulans, sondern als Analeptikum gegen seine chroni­sche Bronchitis. Gleich nach Schillers Tod setzte, zunächst in der familiären Erinnerungspraxis, eine Überhöhung und Musealisierung seiner Arbeits­räume ein. Von ihm benutzte Möbel wurden im Lauf der Zeit zurückgekauft, ausgestellt und vielfach nachgebildet. 1943 mussten Häftlinge des KZ Bu­ chenwald eine Replik seines Schreibtisches herstellen(Abb. S. 111), da man aus Gründen nationalistischer Durchhaltepropaganda Schillers Haus wäh­rend des Krieges offen halten, die Originalmöbel jedoch nicht gefährden wollte. Schneckenhäuschen, tiefsinnige Eulen und gemischte Zimmer Die Romantik ist eine Epoche der wissenschaftlichen und literarischen Ko­operationsprojekte: Arnim& Brentano , Schlegel& Tieck, Tieck& Wackenro­ der oder die Brüder Grimm , die stets im gleichen Haus wohnten, auch nach Wilhelm Grimms Heirat. Die gemeinsame Wohnung gewährleistete einfa­chen Austausch, die Brüder trugen ihren unterschiedlichen Arbeitsstilen jedoch Rechnung, indem sie bewusst klare Grenzen etablierten: Obwohl ihre Zimmer in der Berliner Linkstraße nebeneinander lagen, waren sie nur vom Gang aus zu betreten; die Durchgangstür blieb durch Möbel verstellt. Ein zweites Paradigma der Romantik ist die Dachkammer als kreativitäts­fördernder Raum mit Ausblick und sozialer Gegenentwurf, wie Plachta an E.T.A. Hoffmanns»PoetenStübchen«(S. 130) in Bamberg veranschaulicht, dem Ort skurriler Auftritte, extremer Stimmungslagen und großer Produk­tivität als Schriftsteller, Komponist und Zeichner. Annette von Droste-Hülshoff nannte ihr Musik- und Arbeitszimmer im Rüschhaus, dem Witwensitz ihrer Mutter in Münster , ihr»Schnecken­