Heft 
(2024) 117
Seite
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142 Fontane Blätter 117 Rezensionen häuschen«(S. 134), in dem das Kanapee bevorzugter Ort des Träumens, Le­sens, Nachdenkens und Dichtens war. Eine entschiedene Verteidigerin ih­rer Privatsphäre und ihrer individuellen Auffassung von literarischer Produktivität, entwarf sie vielfach im Kopf, im Schneidersitz auf dem Kana­pee oder im Dunkeln im Bett. Anders als etwa Jean Paul , für den sein»Re­positorium«(S. 119), ein mit Exzerpten gefüllter Schreibschrank, der wich­tigste Einrichtungsgegenstand war, bedurfte die Droste keines besonderen Aufbewahrungsmöbels: Als ihr poetisches Archiv, das sie auch auf Reisen mitnahm, fungierten ihre Arbeitsmanuskripte, in denen sie immer neue Versionen auf demselben Blatt niederschrieb und dabei doch stets den Durchblick behielt. Während Eduard Mörike , ein rastloser Übersiedler, der im Lauf seines Lebens an die 50 verschiedene Adressen hatte, eine tragbare Schreibschatulle verwendete, propagierte Adalbert Stifter im Nachsommer das Feste, Stabile in Gestalt monofunktionaler Räume und lehnte»gemisch­te Zimmer«(S. 148) ab ein Ideal, dem er selbst in seiner Linzer Wohnung zuwiderhandelte: Sein Arbeitszimmer diente neben dem Schreiben u. a. dem Malen, der Möbelrestaurierung und der Kakteenzucht. Er besaß zwei Schreibtische: einen schlichten Arbeitstisch und den repräsentativen, auch im Nachsommer erwähnten»Delphinschreibtisch«(Abb. S. 151), den er zur Aufbewahrung von Materialien verwendete. Noch ehrfurchtgebietender als dieser, wie die Kommandobrücke auf einem Schiff, wirkt der Schreib­tisch des herzoglich Ratiborschen Bibliothekars Hoffmann von Fallersle­ ben (Abb. S. 165) inmitten der öffentlich zugänglichen Bibliotheksräume im Schloss Corvey . Einen ebenfalls sehr repräsentativen Schreibtisch bekam Theodor Storm 1887 zu seinem 70. Geburtstag von weiblichen Fans ge­schenkt, ein»altdeutsches« Meisterstück des Flensburger Kunstschreiners Heinrich Sauermann. An diesem mächtigen Tisch, der neben einer großen Arbeitsfläche viel Stauraum bietet und heute im Storm-Haus in Husum zu sehen ist, entstand Der Schimmelreiter. Doch der Schreibtisch zeichnet sich durch eine weitere Besonderheit aus, die die zeitliche Koinzidenz von Epo­chen veranschaulicht, welche im Rückblick sehr weit voneinander entfernt scheinen: Als Karyatiden fungieren»tiefsinnige Eulen«(S. 172), die kein an­derer schnitzte als Emil Nolde , damals noch unter seinem bürgerlichen Na­men Emil Hansen Lehrling bei Sauermann. Plachta erläutert, dass Theodor Fontane mit dem berühmten Schreibtischporträt von 1896 eine Tradition des Autorenfotos begründete, und analysiert anhand von Friedrich Fonta­nes Beschreibung des nicht mehr existenten Berliner Arbeitszimmers sei­nes Vaters diesen ordentlich strukturierten Wohn- und Arbeitsraum, des­sen Ausstattung Fontanes Lebensthemen widerspiegelte. Wie wichtig der von Wilhelm Lübke übernommene große Schreibtisch mit seinen Schubla­den und Seitenkästen auch als Archiv war, bezeugen u. a. Briefe Fontanes an seine Frau, in denen er sie bittet, ihm dieses oder jenes Manuskript aus einem bestimmten Fach hervorzusuchen und mitzubringen. Ergänzend sei