Kriegsgesellschaft Schneider 41 ausgehenden Kriege historisch einordneten. Gleichzeitig vermittelten Presse, Theater, Kriegsgraphiken, Gemälde und Schlachtenpanoramen das Bild einer unter Führung des Militärs geeinten Nation; die Kriegsbegeisterung schien alle Schichten der Bevölkerung ergriffen zu haben. Es etablierte sich eine bellizistische Festkultur aus Militärparaden, Kaisergeburtstagen und Sedanfeiern. Für Helmuth von Moltke war es die Allianz von Militär und Gesellschaft, die den Siegeszug Preußens ermöglicht habe. Nur im Krieg könne das»organische Band zwischen Monarchie, Militär und Politik« gefestigt werden. 21 Einzig die Sozialdemokraten wagten aus diesem»Folkloremilitarismus« auszuscheren. 22 Die diskursiv und medial kolportierten Kriegs- und Gründungsmythen boten unterschiedlichen Schichten Identifikationsmöglichkeiten, den Arbeitern ebenso wie dem liberalen Bürgertum oder dem konservativen, antirepublikanisch eingestellten Adel. Dennoch war die Lage der Nationalliberalen, denen Raabe seit Gründung des Nationalvereins im Jahr 1860 angehörte und mit deren Positionen auch Fontane sympathisierte, politisch prekär. Die erfolgreichen Feldzüge Preußens führten dazu, dass das Militär andere bürgerliche Berufe überragte und der liberale Freiheitsdiskurs dem Sicherheitsdiskurs untergeordnet wurde. Nur ein militärisch starker Staat, so schien die Lehre von 1864 und 1866, konnte Freiheit garantieren. 23 Der deutsch -französische Krieg ließ dann die bürgerlichen Kritiker der preußischen Regierungspolitik endgültig verstummen. Man fand sich nun mit der umstrittenen Heeresreform ab, die einen Verfassungskonflikt zwischen Bismarcks Regierung und dem von Liberalen dominierten Parlament ausgelöst hatte. Ist mit Bellizismus eine Form von Semantik bezeichnet, die den Krieg diskursiv und medial legitimiert, griff der Militarismus konkret in die Gesellschaftsordnung ein. Die Einführung der Wehrpflicht und die gelungene, bürokratisch vorbereitete Massenmobilisierung von 1870 führten dazu, dass sich militärische und staatliche Strukturen immer stärker verzahnten. Die im deutsch -französischen Krieg erfolgreiche Armee integrierte unterschiedliche Schichten und konnte somit als Vorbild für die Gesellschaftsstruktur des neuen Staates inszeniert werden. Die Landwehr wurde in das neue Heer überführt, weshalb Liberale die Hoffnung auf ein von der adligkonservativen Armee unabhängiges Volksheer aufgeben mussten. 24 Dieses wurde im Kaiserreich in die staatliche Armee eingeordnet. Frank Becker bezeichnet das nach 1871 geschaffene preußisch-deutsche Heer als eine »Verknüpfung von traditionellen Führungsstrukturen« wie dem adeligen Offizierskorps und dem Generalstab auf der einen, sowie»bürgerlichen Ideen wie Milizsystem, Volks- und Nationalbewaffnung« auf der anderen Seite. 25 Moltke schrieb der Armee eine nationale Erziehungsfunktion zu, nur sie habe die Fähigkeit, sämtliche Schichten des Volkes in sich zu vereinen.
Heft
(2024) 118
Seite
41
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten