Heft 
(2024) 118
Seite
53
Einzelbild herunterladen

Kriegsgesellschaft Schneider 53 Gewalt geht: der Spuk bei Fontane , die Flussnixe bei Raabe. Man kann die­ses»real-geheimnisvolle« 90 Verfahren mit Baßler als typische Aporie des Spätrealismus begreifen. In seiner Deutung von Die Innerste betont er, dass die romantische Figur der Flussnixe zwar auf die Brutalisierung der Natur durch den Krieg verweisen soll, eine solch kausale und diegetische Erklä­rung die Radikalität des metaphorischen Verfahrens aber verkenne. 91 Eine andere Deutungsmöglichkeit ließe sich daran anschließen: Das Verfahren der romantischen Metaphorisierung bzw. poetischen ›Entrückung‹ ver­weist darauf, dass Fontane und Raabe literarische Techniken der realisti­schen Anschaulichkeit in Bezug auf die Darstellung kollektiver Kriegsge­walt für ungeeignet halten. Realistisch lässt sich nur von den Kriegsfolgen erzählen, nicht vom Krieg selbst. Geht man jedoch davon aus, dass bereits Tolstoi in den 1860er-Jahren realistische Verfahren der Schlachtbeschreibung entwickelt, die dann von naturalistischen Autoren wie Zola ( La Débâcle) weitergeführt werden, muss der Grund für Fontanes und Raabes Metaphorisierung des Krieges woan­ders liegen. Tatsächlich hat der Vergleich mit den bellizistischen Diskursen und militaristischen Praktiken gezeigt, dass die Erzähltexte beider Autoren gerade in ihrer Metaphorik auf das bellizistische Bild- und Geschichtspro­gramm ihrer Zeit reagieren und den Lesern eine Art literarischer Korrek­tur bieten. In dieser Perspektive versteckt sich das ›Poetische‹ von Fontanes und Raabes Realismus nicht vor der sozialen Wirklichkeit ihrer Zeit, son­dern bleibt an sie gebunden.