Heft 
(2024) 118
Seite
69
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Alter im Recht Rathjen 69 schen Fragestellungen motiv- wie themenspezifische Ansätze wie etwa zum Alter, Tod und Sterben. 35 Überhaupt wurde der Stechlin als eine Sterbege­schichte gelesen, die zusammen mit der sie überlagernden Heiratsgeschich­te für den Zusammenhang von alter und neuer Lebensart steht. 36 Es ist hervorzuheben, dass die Altersstruktur maßgebend für die illust­rierte gesellschaftliche Ordnung und den schmalen Handlungsgang ist. Die Lebensalter der jeweiligen Figuren verbinden sich vorzugsweise mit veral­teten bzw. neuen Lebensformen. Beispielsweise symbolisiert die 75-jährige Adelheid den alten, preußischen Adelsstand und denkt in eben jenen über­holten Auffassungen ihres Standes. 37 In dem gesamten Text finden sich ins­gesamt zweiundzwanzig numerische Altersangaben. Diese Zahlzeichen haben in Erzähltexten unterschiedliche Funktionsweisen und Bedeutun­gen. Sie fungieren in der Art einer verkürzenden Chiffre. So können sie beispielsweise Figuren spezifizieren, gesellschaftliche Ordnungsmuster wie Macht-, Abhängigkeits- und Verwandtschaftsbeziehungen veranschau­lichen, soziale Rollen zuschreiben und zeitliche Sinneinheiten im Text etab­lieren um nur kurz anhand dieser groben Clusterbildung auf den Infor­mationswert und damit Mehrwert für die Textanalyse hinzudeuten. Im Roman wird der Übergang von Altem zum Neuen am Generations­wechsel der alteingesessenen märkischen Adelsfamilie dargestellt, perso­nifiziert durch den 66-jährigen Gutsherrn Dubslav von Stechlin und seinem einzigen Nachkommen Woldemar von Stechlin. Die Sicherung von Genea­logie und Erbschaft ist für den Stechlin nicht unbedeutend, wenngleich Fontane den generationellen Diskurs stets in einen gesellschaftspolitischen Kontext stellt. Dadurch konstituiert sich das Konzept der Generation im Stechlin als Beschreibungsfolie von Zeit-, Gesellschafts- und Selbstverhält­nissen. Fontanes bekannte Losung über sein Alterswerk:»[z]um Schluß stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich«, verweist nicht nur auf die natürliche Abfolge der Generationen, sondern mittelbar auch auf einen fol­genreichen Mentalitätswandel, auf die leitthematische Verhandlung von Altem und Neuem. Fragen nach der biologischen und ökonomischen Konti­nuität des Stechlin-Geschlechts spielen sodann auch in der ersten Begeg­nung von Vater und Sohn eine tragende Rolle. Es geht um die Heiratspläne des Sohnes und damit auch um erbrechtliche Regelungen, die leibliche Re­produktion und Futurisierung. Dubslav kritisiert Woldemars Zögerlichkeit mit einem Verweis auf sein Alter und kassiert damit eine scheinbar schon längst überfällige Schonfrist:»Du bist jetzt zweiunddreißig, oder doch bei­nah, da muß der mit der Fackel kommen, aber du fackelst.« 38 Zwar ist das Heiratsalter und damit verbunden die Gründung einer Familie für Männer nicht streng normiert, doch liegt es in einem gewissen zeitlichen Korridor und ist zudem durch streng konventionelle Vorstellungen gerahmt. Es strukturiert unweigerlich Woldemars Lebenslauf und seine Lebensphase als junger Erwachsener, obschon für ihn erst mit der vollzogenen Heirat