Heft 
(2024) 118
Seite
159
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»Die bloße Macht des Raums« Parr 159 die minutiöse, Vollständigkeit anstrebende, textimmanente und»roman­chronologisch[e]«(S. 21) Analyse von mehr als 40 räumlichen Konstellatio­nen mit ›Realismusverankerung‹ in einem einzelnen Roman Fontanes auf ihre doppelte Funktionalität hin. Angeordnet sind die untersuchten topographischen Details der Roman­handlung folgend nach Gruppen, innerhalb derer jeweils eine ganze Reihe von Situationen mit realistischem Raumbezug subsumiert werden:»Szenen einer Ehe«(S. 31–115),»Außerhalb der Stadt«(S. 115–204),»Zwischen Ehe­bruch und Flucht«(S. 205–243),»Flucht ›Nach Süden‹«(S. 245–298),»›Her­zensheimath‹ Rückkehr des Ehepaares Rubehn nach Berlin «(S. 299–330), »›Ein neues Leben!«(S. 330–356) und schließlich»›Versöhnt.«(S. 356–367). Jede noch so kleine Szene und jeder noch so unbedeutend erscheinende Schauplatz wird»mittels textnaher Einzeluntersuchungen auf die Bedeu­tung der literarisch konstruierten Räume, aber auch im Hinblick auf seinen Detailrealismus und dessen semantische Funktionen«(S. 21) hin in den Blick genommen. Das geschieht nahezu durchgängig in fünf Schritten: erstens Zitat der betreffenden Textstelle, zweitens intensive Auseinandersetzung mit den in der Sekundärliteratur anzutreffenden Befunden, drittens Zustim­mung oder Entwicklung einer abweichenden eigenen Interpretation, vier­tens Einbringen zusätzlicher sozialhistorischer, architektur- und stadtbau­geschichtlicher Kontexte, fünftens ergänzendes Close-Reading mit Verweis auf Parallelstellen(auch über L´Adultera hinaus) und auf solche Forschungs­literatur, die die eigene Interpretation stützt. Mit diesem Verfahren kann Schellstede zahlreiche Deutungen der vorliegenden Forschung berichtigen, ergänzen und vielfach durch überzeugende eigene Deutungen ersetzen. Liegt die mögliche Gefahr bei einem solchen Vorgehen darin, Einzelbe­funde lediglich zu addieren und die Synthese den Leserinnen und Lesern zu überlassen, so weiß Schellstede dies dadurch aufzufangen, dass sie mal eher en passant, mal ausführlich auf sich wiederholende Elemente und Struktu­ren hinweist, wodurch paradigmatisch expandierte Semantiken wie bei­spielsweise die des Imitierens und Kopierens als Charakteristikum Ezechiel van der Straatens verdeutlicht werden können: Er imitiert und kopiert den Adel, sammelt Kopien berühmter Gemälde und imitiert bei der Stralauer Landpartie einen gewöhnlichen Ausflügler. Es ist das Herausarbeiten sol­cher Reihen, mit denen es Schellstede gelingt, wichtige Erzählstrategien Fontanes über den gesamten Roman hinweg am Leitfaden räumlicher De­tails sichtbar zu machen. Kleinere Redundanzen in der Darstellung kann man für die damit gewonnenen Einsichten gern in Kauf nehmen. Den im einleitenden Kapitel skizzierten Ausgangspunkt bei räumlichen Realien erweiternd, werden im Verlauf der Studie mehr und mehr auch nicht primär räumliche Details herangezogen, sodass die Topographie am Ende nur noch»als eine spezielle Spielart« eines weiter verstandenen ­»Detailrealismus«(S. 369) erscheint. Folgerichtig spricht Schellstede im ab-