Heft 
(2024) 118
Seite
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170 Fontane Blätter 118 Informationen Alter im Recht: Das altersgeschichtete Rechtssystem in Fontanes Der Stechlin 4 Der Vortrag widmete sich dem Themenkomplex von Recht und Gesellschaft am Beispiel von Theodor Fontanes Alterswerk Der Stechlin. Im Besonderen ging es dabei um den Zusammenhang zwischen der rechtlichen Reglungsfülle und der zunehmenden gesellschaftlichen Relevanz des Alters sowie seiner jahreszahlen­mäßigen Ausdifferenzierung in der kulturellen Moderne. Diesem spezifischen Erkenntnisinteresse folgend untersuchte der Beitrag, inwiefern Fontane die elementaren Verrechtlichungstendenzen im 19. Jahrhundert subtil in den numerischen Altersangaben, d.h. Altersangaben in Form einer exakten Zahl, literarisch verarbeitet hat und welche weiteren Bedeutungsebenen und ord­nungsstiftenden Denkmuster und Praktiken mit diesen chronologischen Altersangaben im Stechlin verbunden sind. In einem ersten Schritt wurde Fontanes implizites Rechtverständnis rekonstruiert, das sich weniger als ein spezifisches Thema oder als ein Begriff konstituiert, denn als Strukturkategorie. Es geht bei Fontane folglich um »übergreifende Sinn- und Geltungsstrukturen« 5 , in denen das Recht in seiner sozialen Ordnungsleistung bestimmt wird. In einem zweiten Schritt wurde der Zusammenhang von Recht und kalendarischem Alter kursorisch beleuchtet. Im Zuge übergeordneter Verzeitlichungs- und Verrechtlichungsprozesse werden Rechte und Pflichten im 19. Jahrhundert zunehmend an die numerischen Altersangaben gebunden. Nicht mehr der Stand oder die Herkunft allein begründen Rechte und Pflichten, sondern die schlichte Jahreszahl wird zu einem zusätzlichen, tragenden Regelungs- und Steuerungsinstrument moderner Gesellschaften. In einem letzten Schritt wurden ausgewählte numerische Altersangaben aus dem Stechlin auf ihre Funktionen, Bedeutungen und Referenzfelder hin untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die numeri­schen Altersangaben nicht einfach quantitative Zahlzeichen sind, sondern eine enorme Deutungspotenz aufweisen. Sie sind Interpretament der ästhetischen und narrativen Inszenierung des Lebens. Charlotte Rathjen, Leipzig Der Freiheit Sänger oder ein toter Schreiber Die literarische Schiller­Rezeption im bürgerlichen Realismus Seinen Ausgang nahm der Vortrag in der Darstellung von Theodor Fontanes zwiespältiger Haltung gegenüber Schiller und dem zeitgenössischen Umgang mit ihm. In ihrem Schwanken zwischen kritischer Distanzierung und Vereh­rung ist sie in gewisser Weise repräsentativ für die gesamte literarische Auseinandersetzung mit Schiller und seinem Werk im bürgerlichen Realismus. Eine umfassende Untersuchung der literarischen Schiller-Rezeption nach 1848, die die verschiedenen Dimensionen der Auseinandersetzung integriert und ihre Rolle in den zeitgenössischen literarischen Diskursen analysiert, fehlt bisher. Das Dissertationsprojekt, das in dem Vortrag vorgestellt wurde, setzt an diesem Desiderat an und befasst sich mit der Bedeutung Schillers und seiner Schriften in der Literatur des bürgerlichen Realismus. Die leitende Forschungsfrage lautet dabei: Welche Rolle spielen Schiller und seine Schriften in den Debatten des programmatischen Realismus sowie der realistischen Literatur und wie