Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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LXIV Stadt und Dom Brandenburg .

Selbſt gegen die Kirche des ſonſt gern zum Vorbilde genommenen Mutterkloſters für Brandenburg war es Leitzkau und die des Liebfrauenkloſters in Magdeburg , der Mutter der ganzen ſächſiſchen Eirkarie, mußte die neue Kathedrale zurückſtehen, da beide wenigſtens noch die Querſchiffapſiden voraus hatten; ja ein ſolcher Grad von Einfachheit wurde überhaupt ſelbſt von den Prämonſtratenſern bei größeren Kirchen nur äußerſt ſelten angewendet, wie etwa bei der urſprünglichen Ausführung der Oſtteile von Jerichow , das nach Wernicke(Bau⸗ und Kunſtdenkmäler des Kreiſes Jerichow Il, S. 316, 319, 324) anfänglich auch der Nebenapſiden entbehrte. Die Kirchen von Enkenbach und Griffenthal in Kärnthen, zwar ebenfalls ohne jede Neben­apſis, ſind kaum zum Vergleich geeignet, weil erheblich kleiner; St. Wiperti in Quedlinburg ebenſowenig, weil zu ſehr verſtümmelt, um ein ſicheres Urteil zu geſtatten. Übrigens haben auch die Ziſterzienſer gelegentlich ihr Grundrißſchema in gleichem Grade vereinfacht, wie wir an der Kloſterkirche von Dobrilugk ſehen können.

Von den Weſtteilen des Domes iſt wenigſtens die zweitürmige Anlage, als die weſentlichſte Zierde einer Kathedrale, ſowie die Vorhalle als urſprünglich geſichert. Dieſe war naturgemäß hier noch von weit höherer Bedeutung als bei der Pfarrkirche von St. Gotthardt .

Auch im Langhauſe ſiegte nach wenigen Anläufen zu einer reicheren Gliederung der Pfeilerkanten(Abb. 163) doch wieder jene entſagungsvolle Schlichtheit, welche einſt die ganze Baſilika in ruhigem Gleichmaß umfaßte.

Dieſe Einfachheit, der Formen ſowohl wie das zähe Feſthalten an Holzdecken und die Ausbildung der weſtlichen Vorhalle waren alles Eigenheiten der älteren irſauer Bauſchule. Zu ihnen tritt noch eine weitere in dem urſprünglichen Fehlen der Krypta in der Kathedrale,) deren nachträgliche Einfügung der Verfaſſer mit Sicherheit nachweiſen konnte.

Die bisher angeführten Punkte der Raumausgeſtaltung ſind ſpäter meiſt als rückſtändig empfunden und beſeitigt, einige aus Not verkümmert worden. Un­verändert blieben hingegen gewiſſe Einzelheiten der Formgebung, die auf Hirſau zurückzuführen ſind. Dazu gehört die viereckige Umrahmung von Bogenöffnungen, die hier freilich nur noch an den Portalen der Nikolaikirche nachgewieſen werden kann, da die urſprünglichen des Domes alle durch ſpätere erſetzt ſind; ebenſo das Schach­brettornament an den ſteilen Schrägen der Kämpfer der Krypta(Abb. 166), ſowie die eigentümlichen mit feinen Profilen umzogenen und ſeitlich mit Naſen beſetzten Schildformen der Würfelkapitelle, welche an die der beiden Kirchen St. Peter und St. Aurelius zu Hirſau erinnern.

Selbſt für die ſo merkwürdige und höchſt ſeltene Art, wie bei der Kloſteranlage neben der Kathedrale der Kreuzgang gegen deren Querſchiff geführt iſt(Taf. 43), finden wir wohl auf den Spuren der kluniazenſiſchen Überlieferung einen Schlüſſel. Das im Sabinergebirge belegene Kloſter Farfa bietet in ſeiner uns erhaltenen Bau­

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1) Dehio und v. Bezold, Die kirchliche Baukunſt des Abendlandes l, 21.

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