Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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LXX Stadt und Dom Brandenburg .

Die veränderten religiöſen Bedürfniſſe, welche die Aufnahme der Bettelorden begünſtigt hatten, führten nun auch eine neue Grundlage für die Baueinrichtung der Kirche ein. Die Armut der Franziskaner war zunächſt freilich ein Hindernis für eigne Kunſttätigkeit und es war ſchon viel, daß es ihnen in Brandenburg gelang, frühzeitig über­haupt zu einer eigenen Kirche zu kommen. Nach deren in der jetzigen Johanniskirche verbauten Reſten kann es nur ein ganz ſchlichter holzgedeckter Saal geweſen ſein. Aber ſolche zu bauen, war eben gerade nach ihrer Art. War in den Augen der Prämonſtratenſer der Bau ihrer Wallfahrtskirche ſchon an ſich ein gottgefälliges Werk geweſen, fo war den neuen, armen Brüdern ihr faſt ſcheunenartiger Bau nur ein Mittel für ihren Zweck: die troſtreiche, zu Herzen gehende Predigt für alle, die zu ihnen kamen, arm oder reich.

Noch vor Schluß des Jahrhunderts trat ein zweiter Bettelorden in Branden burg auf den Plan. Von verwandten Daſeinsbedingungen und Abſichten ausgehend, waren auch die Dominikaner beim Gottesdienſte vornehmlich auf die Wirkungen der Predigt bedacht, wiewohl deren Art und Ziele etwas andere waren. Gegenüber der einfachen gewinnenden Sprache der Franziskaner war ſie von vornehmer gelehrter Bildung durchdrungen, ein Kampf mit Worten für die Rechtgläubigkeit im Sinne der päpſtlichen Auffaſſung. Durch Übernahme einiger Satzungen der Prämonſtratenſer traten die Dominikaner zu den Regular-Kanonikern am Dome in ein noch näheres Verhältnis. Vornehme Beziehungen zum Adel und zu den Fürſten erleichterten ihnen von vornherein ihren Eintritt, wohin ſie kamen. So auch in Brandenburg , wo ihnen im Süden der Neuſtadt vom Markgrafen und dem Rate der Stadt ein ausgedehntes Gebiet zum Bau von Kirche und Kloſter zur Verfügung geſtellt wurde. Ihre reich: lichen Mittel geſtatteten ihnen, für ihre Predigtkirche ſofort einen dreiſchiffigen Hallenbau zu beginnen und ſeinen Chor i. J. 1286 in raſchem Gange hochzuführen. Der ſpäter planmäßig fortgeſetzte Bau führte Raum verhältniſſe und Bauformen ein, wie man ſie in Brandenburg bis dahin wohl nicht kannte..

Durch hohe breite Fenſter flutete das Licht in die weiträumige Halle mit ihren freien Durchblicken zwiſchen den ſchlanken Stützen und vertrieb die myſtiſchen Schauer aus allen Ecken. Von den vielen dämmerigen Winkeln der alten Baſiliken, wo zwiſchen breiten Pfeilern die Prieſter im ſtummen Gebete vor den Altären lagen, war keiner geblieben. Das Offizium der Meſſe trat ſtark zurück beim Gottesdienſt. Ein einziger Altar ſtand dort für viele. Der Nebenchöre bedurfte es alſo nicht. Ein Querſchiff, das nur wenigen größeren Baſiliken fehlte und in der Wallfahrtskirche auf dem Berge als ſehr weſentlicher Beſtandteil erachtet worden war, fiel bei den Bettelorden grundſätzlich ganz fort. Die geſamte Liturgie wurde ſtark gekürzt und vereinfacht. In dieſer lichterfüllten Halle von edlen vornehmen Verhältniſſen ſollten aller Augen dahin freie Bahn haben, wo von der Kanzel das deutſche, verſtändliche, vom Zeitz geiſt erfüllte Wort des Predigers ertönte. Faſt dafür allein war der ganze Kirchen raum geſchaffen; wenn auch nach der raſchen Rückbildung der urſprünglichen Grundſätze des Ordens nicht ohne Scheidung in Chor und Halle, in Kleriker- und Laienkirche, ſo doch wenigſtens ohne ſtarke Erhöhung jener über dieſe. Bald zeigte ſich freilich, daß die Herablaſſung zum Volke nur Politik geweſen, und der in den