Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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Kunſtgeſchichtliche Überficht.. ILXXIII

gar nicht mehr gedacht. An feine Stelle treten mancherlei kapellenartige Anbauten, die den inzwiſchen gebildeten geiſtlichen Geſellſchaften und Gilden für geſonderte Gottesdienſte und Zuſammenkünfte dienen. Das Geſamtbild der Kirche iſt innen und außen ganz verändert, der Raum einheitlicher und weiter, der äußere Körper mit dem alle drei Schiffe überdeckenden Dach mächtig breit und hoch, vor allem aber der konſtruktive Aufbau der Wände aus einem neuen Gedanken entwickelt, nämlich dem, die Strebepfeiler, die Hauptſtützen des Bauwerks, ins Innere zu verlegen. So erſcheint die Wand nun außen faſt ohne Vorſprünge, innen aber reich gegliedert, zumal wenn, wie in der Katharinenkirche, die Pfeiler zweimal übereinander von tür­artigen Öffnungen durchbrochen find. Auch die Geſtaltung der Gewölbe iſt hier neu und eigenartig, beſonders im Mittelſchiffe, wo die einſtige Einteilung in einzelne Felder ganz aufgehoben und durch die ganze Länge der Kirche ein Netzwerk von mehrfach durchkreuzten Rippen ausgeſpannt iſt. Wie der bauenden Gemeinde ausſchließlich der Raum der Kirche am Herzen lag, erkennt man daran, daß die Türme an dem Neubau faſt keinen Anteil haben. Man behält die alten ſoweit wie möglich bei.

Aller Schmuck wandert vom Innern, wo er in der alten Baſilika heimiſch war, an die Außenſeiten, die kraftvollen Vorſprünge der Strebepfeiler durch ein reiches Formenſpiel von Frieſen erſetzend. Hier und an den Kapellengiebeln wuchert üppig das frei durchbrochene und das vorgeblendete Maßwerk und feiert in wunderbar figurierten großen Roſen einen wahren Triumph geometriſchen Formenſpiels und techniſcher Geſchicklichkeit(Taf. 14 u. 15). Figuren und Glaſuren treten hinzu, aber nirgends ein Laubwerk. In der Katharinenkirche zeigt ſich der Backſteinſtil in ſeiner reichſten Entfaltung; mit ihr iſt nach dieſer Seite hin wieder ein Höhepunkt der Kunſt Brandenburgs erreicht; ſie gilt als ſolcher weit über ſeine Mauern hinaus, vielleicht für die norddeutſche Backſteinarchitektur überhaupt. Für den künſtleriſchen Unter­nehmungsgeiſt der Bürger legt ſie ein ebenſo großartiges Zeugnis ab wie für die Kunſtfertigkeit ihres Meiſters Heinrich Brunsberg .

Mit ihr kann ſich der ſpäte Bau von St. Gotthardt in bezug auf den Auf wand nicht vergleichen; ihr im Grundgedanken verwandt, entwickelt er die Gliederung der Außenmauern weiter durch Ausbildung einzelner niedriger Kapellen zwiſchen den Strebepfeilern eigentlich eine Rückbildung des Motivs, inſofern über den Kapellen auf eine lange Strecke wieder die Strebepfeiler außen hervortreten. Auch hier gliedern ſich außer jenen kleinen ſeitwärts noch mehrere größere, meiſt zweiſtöckige Kapellen: bauten an, die von dem zwar veränderten, aber immer noch regen religiöſen Leben in der Gemeinde zeugen.

Damit ſchließt nicht allein der mittelalterliche Kirchenbau Brandenburgs ab, ſondern ſeine Kirchenbaukunſt in gewiſſem Sinne überhaupt. Die Reformation richtete ſich in dem alten Beſtande an Kirchengebäuden ein und fo fand die Renaiſſance keine neuen großen Aufgaben. In der Folgezeit führte ſogar dieſe völlige Deckung des Bedürfniſſes neben anderen Urſachen zur Vernachläſſigung und ſchließlichen Zerſtörung der Marienkirche. Was an den Kirchenbauten geſchah: der Einbau von hölzernen