Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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LXXIV
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LXXIV Stadt und Dom Brandenburg .

Emporenanlagen und neuen Ausſtattungen mit Kanzeln, Orgeln und 6 ließ das Steinwerk der Bauten faſt unberührt.

Nur die oberen Endigungen faſt aller Türme der Stadt machen hiervon eine Ausnahme. Schon dem ausgehenden Mittelalter war die Aufgabe zugefallen, der Vervollſtändigung der Kirchen nach dieſer Richtung ſowie gleichzeitig der Unterbringung größerer Glocken feine Fürſorge zuzuwenden. Es ſei nur an die Türme der Nikolai-, Johannis- und Domkirche erinnert. Infolge mehrfacher Zerſtörungen dieſer den Elementen ſehr ſtark ausgeſetzten Bauteile hatte ſich auch die ſpätere Zeit beſonders der Türme anzunehmen und die meiſten verdanken ihr die jetzige Erſcheinung. Sie führen uns über die weite Strecke von zwei Jahrhunderten in ganz anders geartete Formenkreiſe. Die frühere Geſtalt des Gotthardtturmes von 15657, wie fie uns das Trebawſche Epitaph überliefert hat(Abb.), bildet den Abſchluß des Turmes noch in ſchlichter Weiſe nach dem Vorbilde gotiſcher Dorfkirchen durch ein Sattel dach mit aufgeſetztem Dachreiter. Nur die Einzelformen erſcheinen im Sinne der Renaiſſance umgebildet. Bei der dem Ende des 16. Jahrhunderts angehörenden Spitze der Katharinenkirche beginnt der neue Formencharakter mit dem achtſeitigen Kuppeldach, jedoch an feinen. Luken durch gotiſierende, den flachen Giebeln unorganiſch aufge pfropfte Helmſpitzen in ſeiner Reinheit getrübt(Taf. 13). Um die Mitte des 17. Jahrhunderts nahm auch die Johanniskirche durch ein geſchweiftes Turmdach an der neuen Geſchmacksrichtung Anteil(Abb. 26). Zwanzig Jahre ſpäter folgte der Dom mit ſeiner zierlichen, ſich in drei geſchweiften Dächern verjüngenden Achteckſpitze (Abb. 183). Dem gleichen Grundgedanken, welcher die Turmbildung der Renaiſſance faſt allgemein beherrſcht, folgt auch noch die neue, nicht eben bedeutende Endigung des ſchlanken Turmes der Paulikirche. Erſt die 1767 an Stelle der früheren geſetzte Endigung des Gotthardtturmes verrät in den Verhältniſſen, der unregelmäßig acht eckigen Grundform des Aufſatzes(Taf. 2), der Galerie um die Laterne, dem rhythmiſch bewegten Kontur des zwiebelförmigen Daches und mancher dekorativen Einzelform einen neuen Charakter der Architektur. Bei maßvoller Höhenentwicklung leitet ſie den Blick von dem einfach maſſigen Bauwerk der Kirche zu ihrer reizvollen und doch würdigen Gliederung empor und erfüllt beſſer, als es die anderen Turmendigungen vermögen, die neuzeitlichen Anſprüche einer organiſchen Einfügung des Zifferblattes der Uhr und freier Umſchau zur Überwachung der Stadt.

Die kirchliche Baukunſt Brandenburgs umfaßt demnach zwar ausſchließlich das Mittelalter; innerhalb dieſes Zeitraums aber liefert ſie eine nahezu vollſtändige Erläuterung der ganzen Entwicklung des Kirchengrundriſſes vom 12. Jahrhundert an. Auch im Formalen gibt ſie uns, unter faſt ausſchließender Beſchränkung auf den Back ſteinbau, alle feine Wandlungserſcheinungen innerhalb feiner ganzen Blütezeit in vor­züglich lehrreichen und z. T. hervorragenden Beiſpielen..