Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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Kunſtgeſchichtliche Uberſicht. XCI

Abgeſehen von der z. T. ſehr reizvollen ornamentalen Verglaſung in der oberen Hälfte des mittleren Domchorfenſters gehören die figürlichen Reſte drei verſchiedenen Entwicklungsſtufen der Glasmalerei an. Nur ein ſehr nachgedunkeltes Stück einer Maria mit Kind könnte etwa der älteren Gattung mit einzelnen Standfiguren zu gewieſen werden.

Von größeren, zuſammenhängenden, alten Teilen dürften die figürlichen Malereien des mittleren Chorfenſters von St. Pauli die früheſten in Brandenburg ſein(Taf. 30 rechte und linke Seite). Die einen wohlgeordneten Zyklus bildenden typologiſchen Darſtellungen von kleinem Maßſtabe ſind in den beiden ſeitlichen Reihen des drei­teiligen Fenſters in Form von Medaillons einem fortlaufenden, ornamentalen Friesmotiv eingefügt. Die dieſen gleichzeitige und ebenfalls dem 14. Jahrhundert an­gehörige Mittelreihe zeigt bereits den Übergang zu dem damals aufkommenden Motiv architektoniſcher Umrahmung der einzelnen, durch die Windeiſen gebildeten Felder, deſſen weitere Entwicklung wir dann bei einer größeren Zahl von Feldern des Dom­chorfenſters beobachten können. Die früher rein maleriſch in der Fläche entworfene und oben mehr oder weniger frei endigende Architektur endigt hier jedesmal unter dem Windeiſen kurz, ja faſt friesartig, wofür meiſt perſpektiviſch gezeichnete Decken bildungen von ſechseckigen Innenräumen benutzt ſind.

Die dritte und ſpäteſte Gattung verzichtet ſchließlich ganz auf das architektoniſche

Element, ja ſelbſt die ſo weſentlichen hellen Trennungsſtreifen gegen die Pfoſten fallen nun fort; der Maßſtab des Figürlichen wird größer, an Stelle der früheren Einzelfiguren von ruhiger Haltung treten jetzt z. T. leidenſchaftlich bewegte, öfter unter Hinzufügung von Nebenfiguren. Soweit die jetzige willkürliche Zuſammen­ſtellung der Felder ahnen läßt, haben wir es hier ſchließlich mit Teilen einer größeren, über eine Anzahl Felder ausgedehnten Kompoſition zu tun, wie ſie ſeit dem 16. Jahr­hundert bevorzugt wurde. Auch unter den vorherrſchend ornamentalen Reſten nehmen die faſt nur aus Kreiſen gebildeten in St. Pauli wegen ihrer ſtrengen Anordnung und Linienführung das höhere Alter vor den ſchon mehrfach aus leichterem Stab⸗ bezw. Bandwerk ge­bildeten des Domes in Anſpruch. In der Ausſchmückung der Fenſter wie im Bau­weſen ſcheinen die Unternehmungen der Dominikaner für die Herren vom Domkapitel anregend und vorbildlich gewirkt zu haben.

Einen für unſere öſtlichen Gebiete ſeltenen Schatz beſitzt Brandenburg in ſeinen Miniaturmalereien des 13. Jahrhunderts im Dome, von denen man vielleicht ſogar an­nehmen darf, daß ſie in Brandenburg ſelbſt entſtanden ſind. Die Donatorenfigur des Rut­gerus ſcheint dies wenigſtens für das Epiſtolar(Taf. 69) zu beſtätigen. Die bildlichen Szenen dieſer Miniaturen erinnern in der monumental⸗dekorativen Art, in welcher ſie wohl unbewußt der älteren Wandmalerei und Moſaikkunſt folgen, noch ſtark an byzantiniſche oder ſüdliche, von dorther beeinflußte Vorbilder. Ihre ſtrenge Anordnung in dieſem Sinne, ſowie die Wiederkehr bedeutender Beſtandteile und ganzer Figuren­gruppen in der überlieferten, typiſchen Geſtaltung weiſt dahin zurück. Vorwürfe, welche ſich häufig wiederholen, wie der auf Taf. 73 abgebildete Einzug Chriſti in