Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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St. Gotthardtkirche. 9

Ein ſolcher Wandel kann wohl nur durch das Eingreifen der Prämonſtratenſer befriedigend erklärt werden. Er fiele dann gegen das Jahr 1150 oder kurz danach; die untere Erdgeſchoßhälfte würde alſo bereits vor dieſem Jahre ausgeführt geweſen ſein. Eine Zerſtörung vorhandener Granitmauern bei der Eroberung Brandenburgs durch Jaczo von Cöpenick i. J. 1157 iſt nicht wahrſcheinlich, weil fie in der kurzen Zeit kaum ausführbar und der wendiſche Eroberer gewiß zu praktiſch war, um die Mauern, die für den im Steinbau Ungeübten doppelt wertvoll waren, nicht für ſeine Zwecke und ſei es nur als Feſte zu verwenden.

Der Weſtbau war urſprünglich auf zwei Türme angelegt. Das geht daraus hervor, daß der Mittelteil der Weſtfront ein wenig zurückliegt(Taf. 2). Über­dies find die Abbruchſtellen der in nordſüdlicher Richtung verlaufenden Mauern der einſtigen Türme in der ganzen Höhe des mittleren Feldſteinmauerwerks deutlich wahrzunehmen; etwa 3/4 m über dem jetzigen Erdboden ſind die Mauern ſtatt eines Sockels mit einer bündigen Hochkantſchicht von Feldſteinen durchſchoſſen. Das Portal im Mittelteil der Weſtfront iſt, wie die wenigen anderen Architekturteile dieſer Bauzeit, in ſorgfältiger Technik aus Stücken von z. T. bedeutender Größe und in urwüchſigen, hochaltertümlichen romaniſchen Formen ausgebildet. Es öffnet ſich in der Mitte einer vortretenden, eine Schicht hohen Umrahmung, die ſich in weitem Rundbogen zwiſchen die ehemaligen Türme ſpannt, und wird von zwei naiv geſtalteten viereckigen Pfeilern mit abgerundeten Kanten eingeſchloſſen, die durch kapitellartige Kämpferſteine in den eckigen Querſchnitt der darauf ruhenden Bogen­umrahmung übergeführt werden. Auch die doppelt abgeſtuften Gewände ſind von einem ſteilen ſchrägen Kämpfergeſims umzogen. Als Verſuch einer Verzierung finden ſich an einem der Bogenſtücke drei kleine Halbkugeln. In dem durch eine Geſimsſchräge vom Erdgeſchoß geſchiedenen Obergeſchoß durchbricht jetzt, gerade über dem Portal, ein mächtiges Rundfenſter mit abgeſtuften Gewänden die ruhigen geſchloſſenen Maſſen. Es war bis auf zwei kleine Rundbogenfenſter wie das Portal mit Backſteinen vermauert und iſt erſt bei der Wiederherſtellung der Kirche i. J. 1906 geöffnet worden. Dabei ſind die beiden inneren abgeſtuften Reihen des Rundfenſters neu hinzugefügt worden. Die alte äußere Reihe wird urſprünglich nur als Blende etwa mit einem kleineren Fenſter in ihrer Mitte gedient haben. Die beiden erhaltenen unteren Geſchoſſe der einſtigen Türme haben nur je ein ſchmales rundbogiges Schlitz­fenſter, das ſich nach innen aber erheblich erweitert.

Die Räume des Weſtbaues(Abb. 2) zeigen nur noch im Erdgeſchoß die urſprüng­lichen Feldſteingewölbe und zwar in der mittleren Vorhalle, die ſich in weitem Rund­bogen nach der Kirche öffnet, ein romaniſches rippenloſes Kreuzgewölbe, in den ſeit lichen Turmräumen halbkreisförmige Tonnengewölbe in der Längsrichtung der Kirche, die nur an ihren öſtlichen Enden in eigentümlicher Weiſe walmartig abſchließen, vermutlich um hier je eine Treppe vom Innern der Kirche nach dem Obergeſchoß führen zu können. Auch in dieſem ſieht man ein mittleres Kreuzgewölbe zwiſchen zwei Längstonnen; aber der Bauſtoff iſt bereits Backſtein und die Räume ſind durch

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