6 Stadt Brandenburg.
allem in den Nähten der Obermauern und den ganz getrennt ſtehenden Dachſtühlen der beiden Teile, deutlich hervor. Alle dieſe Anzeichen ergeben übereinſtimmend, daß die größere öſtliche Hälfte, nämlich die ganze Kirche mit Ausnahme der drei weſtlichen Joche zuerſt in Angriff genommen wurde.
Glücklicherweiſe iſt uns durch Fincke(Programm von 1752 in Büſchings Magazin für die neue Hiſtorie, S. 471) eine Inſchrift überliefert, die ſich„an einem Pfeiler der Kanzel gegenüber“ befunden hat und uns näher über das neue Bauvorhaben unterrichtet. Sie lautete:„Nah der Gebort Christi 1456 des Donredags nach Paschen is angefangen dit Middelwerk desses Chores vormeddelst Hulpe und Vorderunge der ehrsamen Herren borgermeistere und ratmanne und der ganzen Gemeinheit.... gott gewe en allen dat ewige levent und oßs Jo dem arbeiter desses werkes Henrik Reinstorp und alle sinem gesinde, amen“. Die Worte„dit Middelwerk desses Chores“ find früher nach Finckes Vorgang auf die mittlere der drei Südkapellen bezogen und auch von Adler erſt in der neuen Auflage ſeines Werkes über den Backſteinbau richtig gedeutet worden. Der an ſich mehrdeutige Wortlaut kann nach den techniſchen Kennzeichen am Bau nur für die Inangriffnahme der ſechs öſtlichen Pfeilerpaare mit ihren Arkaden gelten, nicht etwa für ein Mittelſtück zwiſchen Oſt- und Weſtteil der Kirche, da an den beiden oberen Längsmauern überhaupt nur je eine Anſatznaht, nämlich an der bereits bezeichneten Stelle, zu bemerken iſt. Auf eine derartige vorwegbetriebene Ausführung der Arkadenpfeiler
deutet auch, daß deren drei letzte Paare im Chorhaupt einſt in der Längsrichtung untereinander kräftig verankert waren, wie es die kleine Innenanſicht der Kirche auf dem Epitaph des Pfarrers Weitzke von 1586 noch darſtellt und überdies aus den noch vorhandenen Sſen an den Kapitellen zu erſehen iſt. Danach darf man das Jahr 1456 als den Beginn des Chorbaus bezw. der Kirche überhaupt annehmen.
Das tüchtige Werk Meiſter Reinſtorps darf nicht der Einfachheit ſeiner äußeren Erſcheinung wegen zu einer handwerks mäßigen Leiſtung herabgeſetzt werden. Der Mangel an reicheren Kunſtformen war offenbar durch den an ausreichenden Mitteln verurſacht; jedenfalls kennen wir Meiſter Henriks Fähigkeiten zu wenig, um ihm ſolchen Mangel zur Laſt zu legen. Die wohl überlegte Anlage(Grundriß Abb. 2 und Schnitt Abb. 3) erſetzt das früher gebräuchliche Querſchiff durch mehrere unregelmäßig angeſchloſſene Kapellen und zeigt ganz jene im Laufe des 15. Jahrh. zur völligen Herrſchaft gelangende Grundrißanordnung, deren Kern ſich einer langgeſtreckten, ſaalartigen, dreiſchiffigen Halle nähert. Das„Mittelwerk“ ſchließt im Oſten in drei Seiten des Sechsecks, während der aus den Seitenſchiffen gebildete Umgang in 5/10 von den Außenmauern umſchloſſen wird. Wie dieſe Anlage im Ganzen, ſo iſt auch der Charakter der Einzelformen ſpätgotiſch, namentlich jene niedrigen zwiſchen den Strebepfeilern des Chorhauptes ausgebauten flachen Kapellen, die nach der Kirche hin breit geöffnet ſind. Ferner finden ſich hier die Rundpfeiler mit den in Spiralen angeordneten (urſprünglich) geſinterten Kopfreihen, mit Dienſten in Form von gewundenen Bündelſtäben an der Oſt- und Weſtſeite der Pfeiler, ſowie Konſolformen und Laubkapitelle