Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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130 Stadt Brandenburg .

Die ſchräge Stellung dieſer Seitenkonchen, bezw. die ihrer Gruppierung zu­grunde liegende Sechseckform der Hauptapſide ergab bei deren Anſchluß an das Grundviereck der Kirche zwei bequeme und für die Gemeinde verdeckte Zugänge zu Wendeltreppen, deren die Kirche außerdem noch weitere in ihren vier Ecken beſaß.)

Alle dieſe Treppen führten zu einer ausgedehnten Emporenanlage, durch welche nicht nur die vier Türme, ſondern überdies noch der ganze öſtliche Kreuzarm ſamt der Apſis zweigeſchoſſig wurden, ſo daß ſchließlich nur das Querſchiff und der weſtliche Kreuzarm die ungeteilte Höhe des Innern behielten(ſiehe die getönten Flächen in Abb. 80). Die Kirche erhielt dadurch faſt das Anſehen einer Doppelkapelle. Dementſprechend war im Oberſtock der Hauptapſis ein zweiter Hauptaltar aufgeſtellt und die Bogengänge, welche die Emporen in den anderen Konchen miteinander ver­banden, waren deshalb gegen die Oſttürme abgeſchloſſen(Fromme⸗Gottſchling, S. 167).

So entſtand hier im Oſten ein ausgedehnter Hochchor quer durch die ganze Breite der Kirche, eine Oberkirche, die ſich vor dem querliegenden Hauptraume der Kirche ausbreitete. Vor ihremPortikus, alſo an der Stelle, wo ſonſt der Laien­altar zu ſtehen pflegte, wurde den Gläubigen an beſonderen hohen Feſttagen das anbetungswürdige Bild der Gottesmutter gezeigt, welchem die weitberühmten Wall fahrten galten.)

Die Kirche war in allen Teilen gewölbt und von ausgezeichneter Konſtruktion. Völlig frei vom gebundenen romaniſchen Syſteme ergaben ſich in den Seitenſchiffen der Hallenanlage ziemlich geſtreckte Gewölbefelder. Äußere Strebepfeiler fehlten. Der Schub der hohen Gewölbe wurde in äußerſt geſchickter Weiſe durch die ſtarken inneren Pfeiler, durch die hervorragende Standfeſtigkeit der Apſiden, durch die Verdoppelung und Verſteifung ihrer Außenwände mittelſt der gewölbten Emporengänge und ſchließlich durch die ſtarke Belaſtung der Ecken mittels der Türme aufgehoben. Faſt überall, mit alleiniger Ausnahme der Weſtſeite, waren die Mauern verhältnismäßig dünn, bezw. in dünne Abſchlußwände und ſtützende Wandpfeiler zerlegt, ſo daß man verſucht iſt, ſchon in ſo früher Zeit von eingezogenen Strebepfeilern zu ſprechen.

Die Räume innerhalb des Rechtecks waren wie die unter den Emporen mit Kreuzgewölben auf Rippen überdeckt, die Apſiden mit rippenbeſetzten Kuppeln. Alle Gurt- und Arkadenbögen waren rund mit alleiniger Ausnahme der ſchmalen Emporen­*) Über die Treppen der Kirche ſiehe Garcgeus Succeſſ., S. 348, Anmerk.

**) Dieimago beatae Mariae, welche am Feſte von Mariä Geburt, am Mathäus⸗ und darauf folgenden Mauritiustage und zu Michaelisante porticum« aufgeſtellt zu werden pflegte, wird 1355 in einer Urkunde genannt(Sello in Forſch. z. Brand. Preuß. Geſch. V, S.[587], Altbranden­burgiſche Miszellen VI). Leutinger, Topogr. Prior March.§5 25 S. 8 bezeichnet die Marienkirche als»delubrum Marianum, fornicibus concameratis duplicatis cum cryptoporticu. Unter dieſem cryptoporticu iſt ohne Zweifel der Raum unter den Emporen, im beſonderen die Unterkirche im Oſten zu verſtehen. Damit erklärt ſich auch die dedicatio cryptae, die Sello(a. a. O.)) fo merk: würdig findet, ganz ungezwungen als die Altarweihe der Unterkirche. Dieſe hatte von der Vorderſeite Portikus bis zum Platze des Altars eine Tiefe von etwa 15 m und verdiente daher wohl den Namen einer Krypta, wenn man bedenkt, daß im Mittelalter keineswegs nur unterirdiſche Räume dieſe Bezeichnung erhielten. In den Statuten des Schwanenordens wird dieſer Altaraltare communionis« genannt.