Gerade in bezug auf die Anlage in Grundriß und Aufbau war die Marien kirche ein Werk von ſtarker Urſprünglichkeit und mit einer für die Schaffensweiſe des Mittelalters wunderbaren Freiheit der künſtleriſchen Geſtaltung entworfen. Es ſtand da als das harmoniſche Ergebnis inniger Anpaſſung an feine freie Lage auf Bergeshöhe, an den dem Berge ſelbſt entnommenen Bauſtoff des Backſteins und an den Zweck, den es als Wallfahrtskirche zu erfüllen hatte: ein weithin ſichtbarer, turm— reicher Aufbau, nach allen Seiten hin gleichmäßig abgeſtuft und abgerundet entwuchs er dem ihn emporhebenden Boden, krönte er den Berg, der ihn trug, und vollendete gleichſam das Werk der Natur durch die mächtige Steigerung ihrer Schönheit. Unzertrennlich davon ruhte in ihm unerſchütterliche Standfeſtigkeit, die Kraft des Wider— ſtandes gegen den Anſturm der Elemente. Die wuchtigen, ſchwer laſtenden Maſſen ſeiner Türme drängten ſich dicht aneinander, umſtanden rings den zu ſchützenden Bau und trotzten, eng mit ihm verbunden, der Macht der Stürme, die ihn umbrauſten. Seine allgemeine äußere Erſcheinung ſtellte ſich als ausgeſprochener Zentralbau einer Denkmalskirche dar, das Innere aber enthüllte ſich bei eingehender Betrachtung als ein wohldurchdachter vermittelnder Ausgleich, deſſen fein abgewogene Einzelzüge nur als Erfüllung eines ſcharf vorgezeichneten Programms zu verſtehen ſind.
Über die beſonderen Vorſchriften und Anforderungen bei der Planung frühmittelalterlicher Wallfahrtskirchen ſind wir freilich noch nicht genügend unterrichtet, doch beſitzt— um zunächſt im Lande zu bleiben— die Mark in dem Städtchen Wilsnack denjenigen Ort, an den am Ende des 14. Jahrh. ein großer Teil des Wallfahrtstreibens von Brandenhurg überging. Man kann ſich vorſtellen, daß die Anordnungen der Marienkirche bei der damals erfolgten Neuplanung zu Wilsnack (ſiehe Verz. d. Kunſtdenkm. Weſtprignitz, S. 310ff nicht unbeachtet blieben. Auch hier finden wir nun den Teil, welcher das Querſchiff im Oſten begleitet, zweigeſchoſſig angelegt und durch „Porläuben“ erweitert. Eine ſolche Emporenanlage wurde auch— wiewohl in viel beſcheidenerer Art— im Oſten der ſaalförmigen Wallfahrtskirche zu Buckau (Weſthavel land ) verſucht. Nach dieſen Beiſpielen dürfte es erlaubt ſein, die Anlage öſtlicher Emporen als einen typiſchen Zug der Wallfahrtskirchen anzuſehen.
Der Beginn des nach alledem ſo hochentwickelten, reifen Denkmals der Baukunſt muß, da der Ablaß des Jahres 1222 zur Vollendung der ſchon im Bau begriffenen Kirche erteilt wurde, ſpäteſtens in das zweite Jahrzehnt des 13. Jahrh. geſetzt werden. Schon in dieſer Zeit hatte alſo die Wölbekunſt in der Mark die hier ausgeprägte Entwickelungsſtufe von Rippengewölben über geſtreckten Rechteckfeldern erreicht; denn die zur Ausführung gekommene Wölbungsweiſe war von den Grund mauern an vorbedacht und in der Gliederung der Pfeiler von deren Fuße an vors bereitet.
Zweite Bauzeit. Die im Jahre 1443 vollendete, gegen die Weſtſeite der Kirche gebaute Kapelle des Schwanenordens beſtand aus einem von Norden nach Süden gerichteten Hauptkörper mit kurzen Kreuzanſätzen in der Längsrichtung der Kirche. Jener ſchloß an den Enden in gebrochener Grundlinie nach ſieben Seiten des Zwölf: ecks, dieſe waren rechtwinklig geſtaltet. Der untere Raum der zweigeſchoſſigen Kapelle