Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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152 Stadt Brandenburg .

ſeite der Turm ſteht, nach der an der Innenſeite der Stadtmauer hinlaufenden Mauergaſſe, im 17. bis 149. Jahrh. Kommunikation genannt(vgl. 20. Jahresber. d. Hiſt. Ver. z B., S. 4 ff). Dieſer Durchgang war nach den Magiſtratsakten über den Turm i. J. 1821 bereits vorhanden und iſt, da die Umrahmungen der Zugänge den Eindruck des Urſprünglichen machen, wohl ausnahmsweiſe als bereits anfänglich an: gelegt anzuſehen. Das erſte Obergeſchoß zeigt hingegen eingekratzte Wandbemerkungen, die offenbar von Gefangenen herrühren. Es wurde alſo wie übrigens wohl auch nach Bedarf noch zwei weitere Geſchoſſe als Gefängnis gebraucht. Wölbungen finden ſich über dem Erd⸗ ſowie dem erſten und dritten Obergeſchoß. Die Wehr­platte wird von einem Steinhelm überragt. Das zweite bis vierte Geſchoß hat Kamin­anlagen, das dritte einen Abort. 1886 wurde der Turm wiederhergeſtellt. Dabei fand man einen Backſtein, in den der Anfang des Introitus der katholiſchen Meſſe eingegraben iſt. Er wird jetzt im Turme aufbewahrt(ſiehe Muchau im 32. bis 33. Jahresber. d. Hiſt. Ver, S. 91 und Brandenburgia XIII, S. 204).

Die Zwinger und Vortore, deren Grundriſſe uns der Hedemannſche Plan noch erhalten hat, ſind verſchwunden; nur für das Rathenower Tor gibt die Anſicht der Altſtadt im Garcaeus(Abb. S3) noch ein, wiewohl etwas ſpätes Bild dieſer Teile.

Von frühen Beeinträchtigungen der Wehrhaftigkeit der Mauer berichtet Schäffer (Kurze Einleitung S. 46), daß der Kurfürſt im Jahre 1549 dem Rat geſtattete, den Turm am Paulikloſter nach dem Stadtgraben zu abzubrechen.

Der ſtreckenweiſe Verfall der Stadtmauer begann wohl bald nach dem Dreißig jährigen Kriege; denn ſchon zu Frommes Zeit, um 1680, war ſie an etlichen Orten eingefallen und die Lücken waren nur mit hohen Paliſaden verwahrt. Solche bildeten im Laufe des 18. Jahrh. das gebräuchliche Mittel zur Ergänzung der Mauer, deren Zweck nun hauptſächlich der wurde, das zur Zeit der alten Militärverfaſſung häufige Entweichen der Soldaten zu erſchweren(vergl. Jahresber. d. Hiſt. Ver. 1884, S. II) ſowie zur Zeit der Aktziſenſteuer Hinterziehungen zu verhindern. In dieſer Zeit ent­ſtanden auch neben mehreren der alten mächtigen Tortürme der mittelalterlichen Befeſtigung andere dem neuen Geſchmack entſprechende Stadttore barocken Stils. Das ſtattlichſte von ihnen, das jedoch inzwiſchen wieder beſeitigt iſt, zeigt die Abb. 85. In älteren Abbildungen des Altſtädter Mühltores erſcheint ein ſolches aus zwei frei­ſtehenden gekröpften Pfeilern gebildet. Ein unzertrennliches Zubehör zu dieſen Toren war der Schlagbaum nebſt zwei Schilderhäuſern. Der Gang längs der Innenſeite der Mauer führte damals die BezeichnungCommunication und wurde u. a. für die Beförderung der Feuerlöſchgeräte noch lange freigehalten. Mit der im Jahre 1875 erfolgten Aufhebung der Mahl- und Schlachtſteuer verlor die Stadt­mauer ihre letzte praktiſche Bedeutung(Dullo, Kommunalgeſchichte, S. 207). Schon 1824 war der Wall zwiſchen dem Plauer und dem Rathenower Tore zu Anlagen umgewandelt worden. Im Jahre 1884 wurde die Stadtmauer zwiſchen dieſen beiden Toren niedergelegt und an Stelle der dortigen Kommunikation die Wallſtraße angelegt.

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