Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
Entstehung
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Kämpfermotiv vom Hinterportal des Altſtädter Rathauſes.

Rathaus der Altſtadt.

Ein Gebäude von höchſter Eigenart iſt das zur Zeit leer ſtehende Rathaus der Altſtadt in der nordöſtlichen Ecke des Marktes, beſonders wertvoll inſofern, als es wohl der einzige eben noch erhaltene Vertreter einer kultur- und kunſtgeſchichtlich ſehr beachtenswerten Bauanlage von Rathäuſern iſt, die uns zuerſt in der Prignitz be: gegnete und ſonſt bisher noch nirgends nachgewieſen werden konnte. Die Sonder ſtellung der Bauanlage beruht in der ganz ungewöhnlichen inneren Anordnung und einer Raumgeſtaltung von höchſt eindrucksvoller Großartigkeit im Vergleich zu den nicht gerade bedeutenden Abmeſſungen der Gebäude. Zeugen für eine ſolche Anlage, welche den Grund⸗ und Aufriß gleicherweiſe beherrſcht, find in der Prignitz inzwiſchen durch den Umbau des Wittſtocker Rathauſes ganz verſchwunden. Auch das ſich der Prignitzer Bauanlage anſchließende Beiſpiel in Brandenburg wird demnächſt eine ſtarke Umwandlung gerade ſeines Innern erfahren, welche die bedeutſamen Spuren jenes einzigartigen Grundgedankens für ein Rathaus vorausſichtlich für immer verwiſchen wird. Es iſt deshalb geboten, die Merkmale und Beweiſe für die urſprüngliche Be­ſchaffenheit des Bauwerks, ſoweit an dieſer Stelle tunlich, im Einzelnen vorzutragen. Dies um ſo mehr, als das Ergebnis der Unterſuchungen des Verfaſſers weſentlich von dem abweicht, welches von Heinr. Kolb auf Grund der ſeinigen veröffentlicht wurde); weder von dieſem noch von O. Stiehl) iſt die Eigenart des Gebäudes in ihrem vollen Umfange erkannt worden.

Das gegenwärtig noch beſtehende Rathaus(Abb. 98) hatte, wie man wegen ſeiner ſpäten Stilformen ohne weiteres annehmen darf, einen erheblich älteren Vorgänger; dieſer ſtand, wenn nicht alles trügt, etwa mitten auf dem Markte und zwar mit der Längs­front der Plauer Straße zugewendet, alſo im rechten Winkel zu dem jetzigen Bau. Als Hinweiſe darauf liegen kaum zu mißdeutende Reſte und Spuren vor. An erſter Stelle der am ſudweſtlichen Ende des Rathauſes unter dem Erdboden noch vorhandene, aber nicht überbaute altertümliche Keller(Grundriß in Abb. 99), der höchſtwahrſchein­

) Heinr. Kolb,Das altſtädtiſche Rathaus zu Brandenburg a. H. im 34. 35. Jahresber. d. Hiſt. Ver. zu B., S. 154 und derſelbe inDenkmalpflege V S. 425 f.

) O. Stiehl, Das deutſche Rathaus im Mittelalter, S. 114 ff.