Teil eines Werkes 
Bd. 2, Teil 3 (1912) Die Kunstdenkmäler von Stadt und Dom Brandenburg / unter der Schriftl. des Theodor Goecke bearb. von Paul Eichholz. Mit Einl. von Willy Spatz und Friedrich Solger
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174 Stadt Brandenburg.

in zwei Gaden(Abb. 104) weit entfernt dagegen zu ſprechen, vielmehr nach damaligen Baugewohnheiten unvermeidlich. Die untere Reihe rückt mit ihren Stichbögen dicht unter die Längsgalerien des vornehmer ausgeſtatteten Südweſtteiles. Auch die obere wird hoch hinaufgeſchoben, um das Licht noch über die Brüſtungen jener nach der Mitte des Saales hinwegzuführen. Da dieſe Ränge nichtsdeſtoweniger ein Hindernis für die Lichtzuführung darſtellen, war man bedacht, noch von den beiden Giebelſeiten her durch große Fenſter nach Möglichkeit Licht zu ſchaffen, ſo namentlich im Südweſten, wo übrigens ſowohl aus den hohen unteren Fenſtern wie aus der ſtarken einſeitigen Erweiterung der oberen nach den Saalecken hin auf Treppen an dieſen Stellen ge­ſchloſſen werden muß(ſiehe den Grundriß in Abb. 102). Eine gerade Balken­decke, die noch heute an alter Stelle liegt, überdeckte den Raum. Der Keller des Rathauſes iſt vermutlich im 18. Jahrh. verſchüttet worden und unzugänglich.) Der urſprüngliche Eingang dazu befand ſich am linken Ende der Nordoſtſeite, ſo daß der hohe innere Kellerhals in dem nordöſtlichen der beiden kleinen Räume verborgen war..

Von den Faſſaden des Gebäudes iſt die ſüdweſtliche Hauptfront durch den in mitten des Giebels halb nach innen, halb nach außen geſtellten rechteckigen Turm ausgezeichnet, der mit jenem über dem Obergeſchoß durch vier ſchräggeſtellte brücken­artige Übergänge innig verbunden iſt. Seine etwas hagere Figur gewinnt durch dieſe ſehr eigenartig erfundene Erbreiterung ſeiner Maſſe bedeutend. Das Haupt­portal im Turm und die beiden ſeitlichen Erdgeſchoßfenſter ſind in den Bogenfeldern mit reichem Maßwerkſchmuck verziert und waren einſt von Kreuzblumen bekrönt(Abb. 100). Der Pfeilergiebel ſowie der Turm waren, bezw. ſind größtenteils noch mit ſchmalen, in Stockwerken geordneten Blenden belebt. Die oberen Turmteile vom Uhrgeſchoß ein­ſchließlich ab find nicht mehr mittelalterlich. Das Dach des Turmes bildete ur ſprünglich wohl ein pyramidenförmiger Helm.**)

Die Mitte des Nordoſtgiebels nahm unten ein mächtiges Spitz bogenportal ein, deſſen Kämpfer mit einem ſpätgotiſchen Blattfrieſe(Kopfleiſte S. 166) geſchmückt und deſſen Sffnung durch einen Mittelpfoſten geteilt war. Der Giebel iſt durch zehn ſchlanke Pfeiler und davon eingeſchloſſene gekuppelte Blenden mit Maßwerkroſetten an der Spitze gegliedert.**)

) Er wurde erſt durch Kolb ſtellenweiſe etwas freigelegt.

**) Kolb(in 84. 35. Jahresber. d. Hiſt. Ver. zu B., S. 9) nimmt ein Walmdach mit kurzem, querliegendem Firſt an. Der Turm mußte unten die für das Portal nötige Breite haben und wurde rechteckig angelegt, weil eine gleich große Tiefe überflüſſig erſchien. Daß man aber auf einen mög: lichſt quadratiſchen Helm abzielte, zeigt ſich in dem Bemühen, durch Vorkragen der Vorder- und Hinter­ſeite in dem Geſchoß unter der Uhr die Ungleichheit der Seiten der Grundform zu mildern. Der Haupt­ausgleich fand aber erſt im Helm ſelbſt ſtatt, deſſen noch vorhandene Stichbalken m. E. nach dem Mittel punkte weiſen, während Kolb ſie nicht für diagonal gerichtet hält.

***) Dieſer Giebel bildet nächſt der ſüdöſtlichen Langſeite die Hinterfront des Gebäudes. Wenn Kolb(a. a. O. S. 9) vor ihm freien Marktplatz annimmt, ſo ſprechen dagegen u. a. die gotiſchen Gewölbe des gegenüberliegenden Eckhauſes(ſiehe unter Bürgerhauſer).