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Der Raw : kulturhistorische Erzählung / von Judäus
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fassen. Du bist verstimmt und entmutigt, weil Du Dein ganzes Vermögen verloren hast. Nach allgemeiner menschlicher Auffassung ist diese Ver­stimmung erklärlich und berechtigt. Aber für jemand, in dessen Seele ein Funke der lichten Lebensanschauung unserer Weisen gefallen, ist sie unverständlich und unberechtigt. Sie waren so vor der Ueberzeugung durchdrungen, wie jedes Mißgeschick eine gütige Fügung Gottes ist und so jedes Weh seinen Stachel verliert, daß sie uns verpflichteten, Gott mit derselben Freude für daS Herbe wie für das Süße zu danken, das seine uns erziehende Wallung in unseren Lebenskelch mischt. Wie er das Herbe versüßt, das wissen wir nicht, oft erfahren wir's erst später, oft niemals, aber wir können das ruhig seiner all- weisenGüte überlassen. In DeinemFall können wir's ohne allzu großen Scharfsinn schon jetzt ahnen.

Nehmen wir einmal an, Du hättest Dein Geld nicht verloren, es hätte sich im Gegenteil vermehrt und Dich zum reichen Mann gemacht, wie nahe läge dann die Möglichkeit, daß Du die herrlichen Geistesgaben, mit welchen Dich Gottes Gnade ausgestattet hat, benützt hättest, um Dich selber geschäftlich zu betäiigen und so Deinen Reichtum noch zu vergrößern. So berechtigt und lobenswert eine solche Betätigung auch im allge­meinen sein mag, für Dich wäre sie es nicht. Deine Ausdauer verbunden mit einem seltenen Scharfsinn und einem besonders guten Ge­dächtnis, die Dich bereits zu einem hervorragen­den Meister der Thora gemacht haben, dürfen