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Einleitung.
rungen studirt worden sind, das ist das Verdienst einzelner scharfsichtigen Aerzte, und mit Anerkennung soll jederzeit der Irrenärzte gedacht werden, die schon frühe den Blick über die Mauern der Anstalt hinaus richteten und die Psychiatrie sozusagen in das tägliche Leben hinein trugen. Es galt, alle Formen geistiger Störungen zu erkennen, ihren Zusammenhang mit körperlichen Veränderungen zu begreifen, Verschiedenartiges als Stufen einer Reihe zu verstehen und das specielle Fach als Zweig der Menschenkunde überhaupt aufzufassen. Wir dürfen mit Stolz sagen, dass seit 50 Jahren ein weiter Weg zurückgelegt worden ist. Einzelne Missgriffe sollen das Verdienst Derer, die vorangegangen sind, nicht schmälern. So wie die Sache jetzt steht, hindern den Fortschritt nicht sowohl Unkenntniss und Mangel an Erfahrung als Vorurtheile. Die rein naturwissenschaftliche Beurtheilung des Menschen gilt Diesem als unsittlich, Jenem als herabwürdigend. Für die ärztliche Auffassung giebt es nur die Norm einerseits, das Abnorme andererseits. Weicht ein Mensch von der Norm, der Regel, dem Gewöhnlichen ab, und erreicht die Abweichung eine gewisse Grösse, die die je nach der Anschauung verschieden grosse„Breite der Gesundheit“ überschreitet, so ist er abnorm oder, was im Grunde dasselbe ist, krankhaft. Nur der Gebrauch der Sprache hindert abnorm und krankhaft als gleichbedeutend zu fassen, da bei dem Worte krankhaft zunächst an Beschwerden und Nachtheile gedacht wird. Nun begleiten zwar solche jede Abnormität, aber sie