Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
83
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InTasso ist der Held geisteskrank.

VI. Tasso.

InTasso ist der Held geisteskrank. Ein Schau­spiel mit einem irren Helden ist eigentlich eine ästhe­tische Unmöglichkeit, denn ein Unzurechnungsfähiger kann nicht nur nicht bestraft werden, sondern auch nicht tragisch wirken, da ihm die erste Voraussetzung, die normale Motivation fehlt. Wie war es möglich, dass Goethe sich einem solchen Vorwurfe aussetzte? Wie besonders Kuno Fischer auseinander gesetzt hat, kannte Goethe, als er den Plan des Schauspiels ent­warf, Kopps Uebersetzung des befreiten Jerusalem, insbesondere dessen Vorrede, und Mansos Vita di Torquato Tasso. Das 1785 erschienene Werk des Abate Serassi lernte er erst auf der italienischen Reise kennen, er studirte es in Rom. Bekanntlich arbeitete Goethe das schon vor der Reise Niedergeschriebene ganz um, und erst 1790 erschien Tasso in seiner jetzigen Form. Goethes Tasso ist nun insofern eine wunder­liche Gestalt, als er thatsächlich die Symptome der Paranoia zeigt, aber doch nicht als Geisteskranker gilt. Mir scheint, dass man die Sache folgendermaassen