In„Tasso“ ist der Held geisteskrank.
VI. Tasso.
In„Tasso“ ist der Held geisteskrank. Ein Schauspiel mit einem irren Helden ist eigentlich eine ästhetische Unmöglichkeit, denn ein Unzurechnungsfähiger kann nicht nur nicht bestraft werden, sondern auch nicht tragisch wirken, da ihm die erste Voraussetzung, die normale Motivation fehlt. Wie war es möglich, dass Goethe sich einem solchen Vorwurfe aussetzte? Wie besonders Kuno Fischer auseinander gesetzt hat, kannte Goethe, als er den Plan des Schauspiels entwarf, Kopp’s Uebersetzung des befreiten Jerusalem, insbesondere dessen Vorrede, und Manso’s Vita di Torquato Tasso. Das 1785 erschienene Werk des Abate Serassi lernte er erst auf der italienischen Reise kennen, er studirte es in Rom. Bekanntlich arbeitete Goethe das schon vor der Reise Niedergeschriebene ganz um, und erst 1790 erschien Tasso in seiner jetzigen Form. Goethes Tasso ist nun insofern eine wunderliche Gestalt, als er thatsächlich die Symptome der Paranoia zeigt, aber doch nicht als Geisteskranker gilt. Mir scheint, dass man die Sache folgendermaassen