Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
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und den Elementen leicht gestört und verletzt, und wer nicht, wie Voltaire, mit grosser Sensibilität eine ausserordentliche Zähheit verbindet, ist leicht einer fort­gesetzten Kränklichkeit unterworfen. Schiller war auch beständig krank. Als ich ihn zuerst kennen lernte, glaubte ich, er lebte keine 4 Wochen. Aber auch er hatte eine gewisse Zähheit, er hielt sich noch die vielen Jahre und hätte sich bei gesunderer Lebens­weise noch länger halten können. Weiterhin sagte Goethe:Es gab zwar eine Zeit, wo man in Deutsch­land sich ein Genie als klein, schwach, wohl gar bucklig dachte; allein ich lobe mir ein Genie, das den gehörigen Körper hat. Des Menschen Seele sei eine ewige Entelechie.Ist aber die Entelechie mächtiger Art, wie es bei allen genialen Naturen der Fall ist, so wird sie bei ihrer belebenden Durchdringung des Körpers. nicht allein auf dessen Organisation kräftigend und veredelnd einwirken, sondern sie wird auch, bei ihrer geistigen Uebermacht, ihr Vorrecht einer ewigen Jugend fortwährend geltend zu machen suchen.

Goethes eigentliche Meinung stimmt offenbar mit der Schopenhauers überein: der Mensch ist so, wie er aussieht. Das Vorgefühl dieser Thatsache erklärt wohl auch Goethes lebhafte Theilnahme an den physiogno­mischen Studien und seine Zuneigung zu Gall. Alle körperlichen Schwächen und Mängel sind zugleich auch geistige Defecte, harmonische Vollendung des Geistes fordert auch Schönheit und Stärke.