Einleitung.
greiflich, dass jeder verständige Mensch sie zu erkennen vermag, jedoch kann nur ein Arzt ihnen die volle Wahrheit entgegenstellen, ein Arzt, der im Stande ist, die Bedeutung des Pathologischen bei Schopenhauer zu beurtheilen. Die Biographen Schopenhauers sind nicht Aerzte, ihnen gegenüber behält Seidlitz den Nimbus des Sachverständigen, wenn es auch mit seinem Sachverstande nicht weit her ist. Dieses Bedenken ist um so ernstlicher, als neuerdings Lombroso auf Grund des Seidlitzischen Gutachtens ein Zerrbild Schopenhauers entworfen hat. Lombroso ist nicht gehässig wie Seidlitz, er weiss es eben nicht besser, und ihn trifft hier wie an manchen anderen Stellen nur der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Lombrosos Buch über den genialen Menschen ist das Ergebniss ausserordentlichen Fleisses, aber wenn Einer über alle genialen Menschen urtheilen will und ausserdem weite Gebiete beherrschen will, so reicht seine Zeit zu einer gründlichen Kenntniss des Einzelnen nicht aus. Thatsächlich wimmelt Lombrosos Buch von Schnitzern, seine Fahrlässigkeit im Einzelnen hat den Erfolg seiner im Kerne wahren Lehre auf das Ernstlichste beeinträchtigt. Die Schopenhauer-Freunde können sagen, was kommt auf Seidlitz und Lombroso an, wir wissen es besser. So scheint mir z. B. Grisebach zu denken, der in seiner Biographie geflissentlich das Pathologische bei Seite schiebt. Nun wissen wir aber gerade durch Schopenhauer, dass Todtschweigen nichts Gutes ist. Ich halte deshalb Grisebachs Verfahren nicht für richtig, und es ist mir auch nicht gleichgiltig, wenn weiten Kreisen