Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
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Schopenhauers Jugend. 180313.

Leiden und Wohlsein ist demnach nicht von aussen, sondern eben nur durch jenes Maass, jene Anlage be­stimmt, welche zwar durch das physische Befinden einige Ab- und Zunahme zu verschiedenen Zeiten er­fahren kann, im Ganzen aber dieselbe bleibt und nichts anderes ist, als was man sein Temperament oder seine Grundstimmung nennt. Auf der ursprünglichen Ver­schiedenheit dieser beruht der platonische Gegensatz zwischen dem Eukolos und Dyskolos, d. i. zwischen dem, der leichten, und dem, der schweren Sinnes ist. Es ist gar nicht zu bezweifeln, dass Schopenhauers Lebensauffassung in der Hauptsache durch die ange­borene Gehirnbeschaffenheit bestimmt wurde, und dass die Dyskolie ein Erbtheil vom Vater war, wenngleich sie in ihm sich anders darstellte als im Vater.Ich weiss nur zu gut, schrieb ihm die Mutter 1807,wie­viel Anlage zu schwermüthigen Grübeleien du von deinem Vater zum traurigen Erbtheil bekamst. Wenn nun auch die melancholische Färbung des Denkens auf angeborener Anlage beruht, so ist sie doch weder von vornherein da, noch bleibt sie im Laufe des Lebens unverändert. Auf der Kindheit ruht sie nur wie ein leichter Schatten, mit der Pubertät jedoch wird sie mächtig und gerade in den Jahren der fri­schesten Jugend ist sie am stärksten. Ist sie in der Anlage schwach, so mag nichts von ihr wahrgenommen werden, als eine leichte Schwermuth während der Jüng­lingsjahre. Je stärker sie ist, um so weiter hinein in das Leben reicht sie, sie kann das dritte und vierte Jahrzehnt verdunkeln, aber fast immer nimmt sie in