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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
Entstehung
Seite
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Leibniz war jung, aber er hatte eine bedeu­tende, instinktive und durchgebildete Menschen­kenntnis. Zugleich mit dem Mißtrauen, das sein Gegenüber noch immer nicht überwunden hatte, erkannte er den Tod, der schon hinter Spinoza stand, und zugleich mit der Leidenschaft, diesen Anderen, Mißtrauischen auszuholen, sein Bestes zu erkennen und sein Geheimnis zu erfahren, er­griff ihn eine merkwürdige Art von Mitleid: man durfte den Sterbenden nicht spannen, sondern trösten, man mußte ihm helfen, man mußte ihm zu verstehen geben, daß er nicht nötig hätte,.auf der Hut zu sein.

Aber mußte man nicht selbst auf der Hut sein? Warum hatte er kein Vertrauen? Leibniz begann von sich zu erzählen. Von seiner Kindheit in Leipzig , von seinem Vater, der so früh gestorben war, von dem Zimmer der Bücher, das so ge­heimnisvoll verschlossen war, und wie es ihm eines Tages geöffnet wurde, wie ihn, da er fast noch ein Kind war, der Dämon der Philosophie packte, wie er in,‚seiner Geistesnot kämpfte und kindlich überlegte, wohin er sich wenden sollte, und wie ihn endlich bei einem einsamen Spaziergang . durchs Rosenthal bei Leipzig , er war damals fünf­zehn Jahre alt, der entscheidende Wunsch ergriff, sich der Mathematik zuzuwenden.