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unerschöpfliche Dialectik, welche die Würze des Sonderstudiums und Uebung des Scharfsinnes war, und aller dieser Aufwand von Genie drehten sich doch nur in dem engen Kreise befangener Voraussetzungen herum, und zum Verständniss des talmudischen Textes kam man nur mühsam, einseitig und nur mit Aufopferung von kostbaren Jahren auf dem beschwerlichen und oft genug unsichern Wege der Tradition, die sich wie ein NationalVermächtniss fortpflanzte, während man den sicherern Weg der Linguistik, der Kritik und Alterthumskunde entweder nicht zu suchen verstand oder, wie es in späterer Zeit der Fall war, ihn als profan oder gar ketzerisch floh. Solange das talmudische Judenthum mit seinem specifischen Religionsbegriffen in Synagoge und Haus herrschte und die Juden der allgemeinen Bildung fern standen, blieb auch die Lehrform im Beth- haMidrasch aufrecht, so sehr sie auch wahrer Wissenschaftlichkeit entbehrte. Der Glaube, dessen Commentar der Talmud war, erhielt ihn, wie jener hinwiederum durch diesen erhalten wurde. Aber das jetzt erhobene Verhältniss der Juden zur bürgerlichen Gesellschaft und dadurch zur Wissenschaft hat den Zauber der talmudischen Unfehlbarkeit wie den Nimbus seiner Rechtsverbindlichkeit und der seligmachenden Kraft seiner Lectüre gelöst, und unsere Zeit stellt an die Behandlung der Schriften des jüdischen Alterthums dieselben wissenschaftlichen Anforderungen, welche an die Behandlung der Schriften der Hellenen und Römer gemacht werden.
Und so musste denn die Anstalt, jetzt in anderem Geiste zeitgemäss als in den Tagen ihrer Gründung, gänzlich umgestaltet werden.
Nachdem das Curatorium verschiedenseitige Vorschläge reiflich geprüft und äussere Schwierigkeiten überwunden hatte, trat im Jahre 1856 das Institut verjüngt ins Leben, und es wurde darin ein Lehrstuhl für jüdische Wissenschaft errichtet, welcher allen Universitäten noch immer fehlt, und welcher in seiner unabhängigen Lehrfreiheit selbst jüdischen Instituten dieser Art fehlen muss, die mit den reichsten Mitteln und gelehrtesten Kräften ausgestattet sind.
Ganz im Sinne des Testators bleibt nach der neuen Gestaltung die jüdische Wissenschaft, vornehmlich die talmudische der Mittelpunkt des Wirkungskreises, worüber sich der§. 7 der Statuten wie folgt ausspricht: